Ein kleines Label sollte die Engländer einst davon abhalten, auf deutsche Produkte zu setzen. Doch der Schuss ging nach hinten los: Die Marke „Made in Germany“ avancierte zur verlässlichsten Marke der Weltwirtschaft ist seit nunmehr 130 Jahren Garant für außergewöhnliche Qualität und Zuverlässigkeit.
Die Chinesen von gestern
Man kann es heute kaum glauben, aber Mitte des 19. Jahrhunderts setzten die Engländer, die technischen Maßstäbe und Deutschland war industrielles Entwicklungsland. Wie heute die Chinesen versuchten deutsche Industrielle ihren technologischen Rückstand durch simples Kopieren wettzumachen. Billiglöhne und unbegrenzte Arbeitszeiten in Deutschland machten es möglich, dass zweitklassige Nachahmungen britischer Produkte zu Dumpingpreisen auf den Markt gebracht werden konnten. Lange sah man in Großbritannien über das schamlose Treiben hinweg. Als die Hersteller von Messer und Scheren aus Solingen und auch Sachsen (zu dieser Zeit allerdings mit den Briten schon auf Augenhöhe) letztlich dazu übergingen, ihren Erzeugnissen das bekannte Qualitätssiegel „Sheffield made“ anzuheften, war es mit dem Gleichmut im Königreich vorbei. Am 23. August 1887 trat deshalb ein neues Warenzeichengesetz in Kraft. Es sollte sicherstellen, dass alle ausländischen Produkte, die den Erfolg britischer Waren gefährden konnten, als solche zu erkennen waren. Einheimische sollten damit veranlasst werden, vor allem „britisch zu kaufen“. Jede Handelsnation, die in Großbritannien Geschäfte machen wollte, musste nun ihre Produkte mit dem Label ihres Herkunftslandes versehen.
„Made in Germany“ mutiert zur Marke des Erfolges
Doch schon zehn Jahre später begann sich das Ziel dieser Maßnahme ins Gegenteil zu verkehren. Die deutsche Industrienation war erwacht und hatte die Engländer in vielen Branchen ein- und in manchen sogar überholt. Aus vormals billigen Kopien waren Qualitätsprodukte geworden. Beschleunigt durch den Aufstieg der Stahlindustrie im Ruhrgebiet hatte sich die Produktionsrate im deutschen Reich bis 1913 versechsfacht. „Made in Germany“ bedeutete längst nicht mehr nur Ramsch, sondern stand oftmals für technische Überlegenheit. Schon 1897 stellte der britische Minister Joseph Chamberlain in einem Wirtschaftsbericht deshalb fest, dass Kleider, Uhren, Werkzeuge, Glaswaren, Chemikalien und am Ende auch Waffen mit dem Etikett „Made in Germany“ vor allem eins waren: nicht nur billiger als jene aus dem Empire, sondern auch brauchbarer, besser angepasst und schneller lieferbar. Und weil auf all diesen Dingen unübersehbar „Made in Germany“ prangte, wurde den Briten langsam bewusst, wie stark ihr Alltag schon von deutschen Produkten geprägt war. Hosen und Hemden aus Sachsen, Uhren von Lange, Bleistifte von Faber-Castell, Klaviere von Bechstein, Teddybären von Steiff, Schmerztabletten von Bayer und Bier von Beck`s – alles aus Deutschland und alles eher gut als schlecht.
Das Etikett des Wirtschaftswunders
Nur der Ausbruch des 1. Weltkriegs verhinderte, dass Deutschland mit seinen Erzeugnissen Großbritannien als größte Exportnation der Welt ablöste. Und noch einmal versuchte das Empire das „Made in Germany“- Label zu seinen Gunsten zu nutzen. Waren mit dieser Kennzeichnung durften nun weder in Großbritannien noch auf den Märkten der Verbündeten angeboten werden. Doch der wirkliche Triumph des längst als Gütesiegel wahrgenommenen Etiketts konnte nicht verhindert werden. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg wurde Konsumenten auf der ganzen Welt bewusst, dass Deutschland, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, keine Massenartikel produzierte, sondern sich stattdessen auf seine Fähigkeit konzentrierte, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten.
„Made in Germany“ vs. Massenproduktion
Ein Prinzip, auf dem die deutsche Wirtschaft auch heute noch basiert. Die Produktion „Made in Germany“ ist in vielen Teilen nach wie vor auf eine enge Kundenbeziehung spezialisiert. Ob Infrastrukturprojekte, komplette Installationen von Produktionsstrecken, Architektur oder intelligente Maschinen – die Lieferung erfolgt nach genauen Anforderungen und ist somit der totale Gegensatz zu Systemen der Massenproduktion. Und je populärer auf diese Weise hergestellte Produkte weltweit wurden, desto intensiver begannen deutsche Unternehmen die Marke „Made in Germany“ für Marketing und Werbung zu verwenden. Eine Methode, die ausgezeichnet funktioniert. „Made in Germany“ wird mehr denn je geschätzt und ist weltweit ein wichtiger Grund für den Kauf eines Produktes.
Dieser Artikel ist Teil II von III zum Thema Made in Germany.
Made in Germany Teil I – Das kostbarste Gütesiegels der Welt
Made in Germany Teil III – Das kostbarste Gütesiegels der Welt
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin