Teil I – Das sollte ER über IHRE Hormone wissen!
Wenn es darum geht das Verhalten von Frauen zu verstehen, werden fast immer ihre Hormone zur Verantwortung gezogen. Sie wird zornig, unleidlich oder fängt an zu weinen, obwohl sie diesen kitschigen Film schon ein Dutzend Mal gesehen hat – klar, es ist diese bestimmte Zeit im Monat, in der Männer sie mit Blumen und Schokolade besänftigen müssen. Und es sind auch die Hormone, warum SIE gerade besonders romantisch ist oder später im Leben Hitzewallungen oder Nachtschweiß bekommt. So weit, so bekannt.
Doch diese Wahrheiten treffen längst nicht auf alle Frauen zu und auch ansonsten ist die Sache mit den weiblichen Geschlechtshormonen komplexer und verwirrender als MANN gemeinhin denkt.
Östrogen – Progesteron – Testosteron
Die erste Wahrheit ist: Es ist nicht nur das Östrogen. Dieses Hormon wird zwar zu Recht als das weibliche Sexualhormon bezeichnet und ist verantwortlich für viele ganz weibliche Prozesse wie das Wachstum der Brüste und einen großen Teil des Menstruationszyklus’. Doch im Körper der Frau walten noch ganz andere Kräfte. Progesteron zum Beispiel trägt dazu bei, dass die Gebärmutter für einen befruchteten Embryo vorbereitet ist und dass sich bei Schwangerschaft eine Plazenta (Mutterkuchen) bildet. Und Frauen besitzen auch ihren eigenen Anteil am männlichen Geschlechtshormon, dem Testosteron, das vor allem für Knochen- und Muskeldichte verantwortlich ist. Zu diesen drei „Hauptdarstellern“ im Hormonspiegel der Frau gesellen sich in der Regel noch eine ganze Reihe an Nebenhormonen. Kein Wunder also, dass die Frauenseele so kompliziert ist. Und noch etwas macht die Sache für IHN so undurchschaubar: Die Hormone wirken nicht in jeder Frau gleich. Die eine zeigt die stereotype Launenhaftigkeit und Heißhungerattacken, während sie ihre Menstruationsperiode hat. Einer anderen ist das völlig unbekannt. Der Hormon-Mix ist bei allen gesunden Frauen gleich. Doch der Hormonspiegel hebt und senkt sich – abhängig von Menstruationszyklus, dem Alter der Frau und den individuellen Eigenschaften – jeden Monat in einem komplexen Muster.
Von Eisprung-Theorie und Kuschelhormonen
Der Sexualtrieb einer Frau ist bekanntermaßen etwas komplexer, als der eines Mannes. Normalerweise braucht SIE ein bisschen mehr Stimulanz, als nur einen attraktiven Körper zu betrachten. Aber wie viel hat das mit ihren Hormonen zu tun? Um es einfach zu sagen: viel. Zunächst ist es nachweislich so, dass mangelndes Interesse an Sex bei Frauen meist mit einem niedrigen Östrogenspiegel zusammenhängt. Umgekehrt ist es – entgegen der landläufigen Meinung – mittlerweile zweifelhaft, dass ihre Lust und sexuelle Erregbarkeit auch vom Testosteronspiegel abhängt. Wissenschaftler der Monash Medical School (USA) untersuchten kürzlich beispielsweise 1.021 Frauen unterschiedlichen Alters und fanden dabei keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen niedrigen Werten im Sexualprofil und einer geringen Konzentration von Testosteron. Dagegen scheint wohl der veränderte Hormoncocktail, vor und während der Periode, entscheidenden Einfluß auf das weibliche Sexualverhalten zu haben.
Das besagt zumindest die mittlerweile berühmt gewordene Eisprung-Theorie. Danach würden Frauen in ihren fruchtbaren Tagen eher dominante Herren bevorzugen, während in der übrigen Zeit eher alltagsfähige Kuscheltypen die besseren Karten hätten. Bei erstem Kontakt kommen dann zum Beispiel „Austauschhormone“, so genannte Pheromone, zum Einsatz. Durch sie entsteht ein individueller Geruch, der dem möglichen Partner zum Beispiel Informationen über die genetische Beschaffenheit des Gegenüber vermittelt und sprichwörtlich darüber entscheidet, ob man sich auch wirklich „riechen kann“. Wenn es dann wirklich zum Liebesakt kommt, wird die Lust der Frau vor allem vom Oxytocin, dem sogenannten „Kuschelhormon“, bestimmt. Dieses Hormon hat dann auch maßgeblichen Einfluß darauf, wie intensiv der Orgasmus erlebt wird. Während der Menstruationspause nimmt sich die weibliche Libido übrigens meist ebenfalls eine Auszeit.
Ein wahre Bürde – das prämenstruelle Syndrom (PMS)
Das sogenannte prämenstruelle Syndrom (PMS) ist nach wie vor ein medizinisch- psychologischer Streitpunkt und wird zuweilen sogar als bequeme Entschuldigung mancher Frauen für Streitlust, Essattacken und Antriebslosigkeit missverstanden.
Fakt ist: PMS wird von 75 Prozent aller Frauen in unterschiedlicher Intensität erlebt. Es verursacht nachweislich Schwankungen im Hormonhaushalt und biochemische Veränderungen im Gehirn. Fakt ist aber auch, dass Ursachen und Wirkung immer noch nicht genau entschlüsselt sind. Die bekannten Symptome sind Heißhunger, Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit, sowie Kopf- und Darmschmerzen. Meistens verschwinden diese Beschwerden allerdings, sobald die Periode tatsächlich beginnt.
Etwa drei bis fünf Prozent aller Frauen erleben vor Eintritt der Periode einen regelrechten Kontrollverlust, haben Angst, sind extrem reizbar und teilweise hochaggressiv. Diese Störung wird als prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) bezeichnet und ist seit 2013 als eigenständige affektive Störung im diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen, dem DSM-5, aufgenommen. Bei den Betroffenen wird häufig eine spezielle Behandlung notwendig, die sowohl das Verabreichen von Antibabypillen, als auch von Antidepressiva enthalten kann. Dagegen gibt es allerdings auch viele Frauen, die wenig bis gar keine PMS-Symptome aufweisen. Nichtsdestotrotz ist es für jeden Mann wichtig zu erkennen, was normale PMS-Symptome sind, um eine potentiell schwierige Zeit mit der Partnerin gut durchschiffen zu können.
Die Pille – künstliche Hormone
Die weiblichen Befindlichkeiten werden übrigens mittlerweile auch durch künstliche Hormone beeinflußt. Und zwar durch die Einnahme der Anti-Baby-Pille. Darin enthalten sind das künstliche Östrogen Ethinylestradiol und verschiedene synthetischen Gestagene. Durch die zusätzliche Dosis dieser eigentlich auch körpereignen Hormone wird der Menstruationszyklus im Sinne einer Schwangerschaftsverhütung maßgeblich manipuliert. Dabei wird der Hormonspiegel der Frau künstlich verändert, wobei es zu Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, Migräne, Spannungsgefühlen in den Brüsten, Stimmungsveränderungen und zur Absenkung der Libido kommen kann.
Hormone im Chaos – die Schwangerschaft
Wenn FRAU schon gedacht hat, dass die Hormone in der Pubertät verrückt gespielt haben, dann sollte SIE erstmal die Schwangerschaft abwarten. Denn jetzt übernehmen Östrogene und Progesterone die Herrschaft über ihren Körper. Durch das Östrogen wachsen die Brüste der Schwangeren und die Organe ihres Babys. IHRE Haut wird nun sehr empfindlich und möglicherweise kommt es zum sogenannten Schwangerschaftsschnupfen.
Durch Progesteron vergrößert sich die Gebärmutter und die Plazenta, der Mutterkuchen wird gebildet. Dadurch kann es zu verstärktem Sodbrennen und Verdauungsstörungen kommen. Die Schwangerschaft ist eine erstaunliche Leistung des weiblichen Körpers. Aber auch ER sollte nun in Alarmstellung sein. Denn die Hormone der Frauen können in dieser Zeit wirkliches Chaos anrichten.
Das Versiegen der Östrogenproduktion – die Wechseljahre
Noch stärker als während einer Schwangerschaft wird die Frau allerdings in den sogenannten Wechseljahren von den Hormonen durcheinander geschüttelt. Oder sollte man besser sagen, von ihrem Rückgang. Denn die Anzahl der angeborenen Eier ist bei jeder Frau begrenzt. Und sind sie aufgebraucht, kommt es zur sogenannten Menstruationspause. Diese beginnt im Alter zwischen Ende 40 und Ende 50 und bezeichnet den Abschnitt, wenn die Periode für zwölf aufeinanderfolgende Monate ausgeblieben ist. Die Östrogenproduktion des weiblichen Körpers bricht nun vollständig in sich zusammen und verursacht in der Regel signifikante Folgeerscheinungen.
Damit einher gehen oftmals Hitzewallungen, Gelenk- und Knochenschmerzen, eine Gewichtszunahme und allgemeine Dünnhäutigkeit. Doch was viele Frauen danach erleben, ist eine neuerliche Harmonisierung des Hormonspiegels und ein manchmal völlig neues Lebensgefühl, was einige sogar mit den Aufregungen der Pubertät vergleichen.
Dies war Teil I zum Thema Hormone. Jetzt den zweiten Teil lesen!
Der ist doch Testosteron gesteuert!
Teil I I – Das sollte SIE über SEINE Hormone wissen!
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin