DIE LIEBE – Mysterium und Wissenschaft

Glückliches Liebespaar
©istock/LittleBee80
Wenn man "Flugzeuge im Bauch" hat, einem "Flügel verliehen" werden, man "die Welt umarmen" möchte, "das Universum zu einem spricht" oder das "Herz bricht" - dann ist mit Sicherheit Liebe im Spiel. Doch was genau verstehen die Menschen unter diesem angeblich "letzten Sinn allen Seins"? Ist es reine Poesie und Romantik? Geht es hier um Philosophie oder Religion? Ist es ein Tanz der Hormone oder doch "nur" eine Angelegenheit von Biologie und Chemie?

Wir von CarlMarie wollen uns in einer kleinen Serie von Texten der Liebe von verschiedenen Richtungen nähern, erklären ihre wichtigsten Symbole und sehen uns an, was berühmte Dichter und Denker über die Liebe zu sagen hatten.

Inhaltsverzeichnis

 

Was ist Liebe?

Der Mensch ist – von Liebe inspiriert – zu höchsten Gedankenflügen und unfassbaren Leistungen ebenso in der Lage wie zu Mord und Suizid. Wir alle verstehen die Poesie des Herzens sehr gut, neigen aber mit zunehmendem Alter mehr und mehr dazu, dieses kostbare Gefühl zu entmystifizieren. Wir lernen etwas über biologische Prozesse, die entsprechenden Reaktionen in uns hervorrufen, glauben an psychologische Faktoren und physiologische Prozesse. Und in dem Moment, wo wir meinen, dass es in dieser Welt keinen Raum mehr gibt für Mystik, Poesie und Romantik – schauen wir jemandem in die Augen – und alles Wissen verschwindet aus unserem Kopf wie ein böser Spuk. Bis sich ein paar Monate später auch diese rosa Wolke wieder vom Liebeshimmel verzogen hat.

Sich zu verlieben ist aufregend. Farben wirken heller. Hindernisse scheinen nichtig zu sein. Die Welt neigt ihr Antlitz und scheint nur zu Dir zu sprechen. Reine Chemie sagen die einen – ein unerklärliches Mysterium die anderen. Die Liebe sei im Kern irrational und ewig, wer versuche sie zu erklären, beschädige sie. Über die Liebe haben sich in den vergangenen Jahrhunderten Dichter und Philosophen ebenso Gedanken gemacht wie Naturwissenschaftler, Soziologen und Psychologen. Das sind einige ihrer Gedanken:

Die Liebe in der Philosophie

Obwohl die Liebe als zwischenmenschliches, sexuelles und romantisches Phänomen erst am Ende des 18. Jahrhunderts wirklich thematisiert wurde, kannten sie auch schon die Menschen im antiken Griechenland. Zwar spielte die Ehe aus Liebe keine Rolle und war lediglich als Institution für die Erzeugung von Erben wichtig, aber Philosophen wie Sokrates, Platon oder Aristoteles machten sich trotzdem Gedanken über den Grund für Sehnsucht und Begierde. Die Liebe, so die Annahme der Hellenen, zeige sich in drei verschiedenen Formen, wobei alles beginnt mit der einfachsten und grundlegendsten – dem Eros. Und endet in der fragilsten und unsichersten – der Agape.

Eros – die erotische Liebe

Laut Sokrates ist die Liebe reines Begehren, das wiederum seinen Grund im Mangel hat. Auf der einen Seite warte das Unglück, nämlich dann, wenn das Begehren keine Befriedigung findet. Auf der anderen Seite stehe die Leere, die folge, wenn das Begehren nach seiner Befriedigung schwindet. Ein bisschen hoffnungsfroher stimmte Platons Erzählung von den Kugelmenschen, die einstmals in der Mitte geteilt fortan auf der Suche nach ihrer zweiten Hälfte sind, um wieder vollkommen zu sein. Nach Aristoteles besteht der Sinn dieser Vereinigung in einem menschlichen Grundbedürfnis: nämlich vom „Ich“ zu einem „Wir“ zu gelangen.

Philia – die freundschaftliche Liebe

Die nächste Erscheinungsform der Liebe definierte Aristoteles mit der Lust, sich zu „freuen“. Diese Liebe umfasst nach seiner Ansicht sowohl Familienmitglieder als auch Freunde oder auch Streitgenossen. Eine Erklärung zur Philia, der freundschaftlichen Liebe, liefert der jüdische Philosoph Baruch Spinoza (1632 – 1677). Das Begehren nach Liebe speist sich demnach nicht aus Mangel oder Hunger, sondern aus dem Vermögen, die „Nahrung“ auch dann zu genießen, wenn reichlich davon vorhanden ist. Bei der Philia geht es demzufolge auch nicht um Besitz, sondern eher um die Freude daran, „dass es dich gibt“.

Agape – die göttliche Liebe

Agape ist die Teilhabe am göttlichen Prinzip der Liebe und kommt schon ziemlich dem Gedanken der christlichen Nächstenliebe nahe. Hier geht es darum, nicht nur selber glücklich zu werden, sondern vor allem andere glücklich zu machen und somit das universelle Konzept der Liebe zu preisen. Einen Fremden zu lieben wie sich selbst, heißt sich selbst ebenso wie einen Fremden zu lieben. Sich zu lieben, heißt, die Welt zu lieben und niemanden anderen dabei ausschließen zu müssen. Oder wie es Adorno in seiner „Minima Moralia“ schrieb: „Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“

 

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Intimität + Leidenschaft + Verbindlichkeit

Ein neueres, eher psychologisches Modell, stellte der amerikanische Psychologe Robert Sternberg in seiner erstmals 1986 vorgestellten Dreiecks-Theorie vor. Dabei ging er bei der Liebe von drei unterschiedlichen Bestandteilen aus. Der eine ist: Intimität. Diese steht für die gemeinsam verbrachte Zeit und die Bereitschaft, Innerstes zu teilen und aufrichtig und ehrlich miteinander zu kommunizieren.

Die zweite Komponente ist: Leidenschaft. Diese ist vor allem in der ersten Verliebtheitsphase (nach Ansicht der Soziologen dauert diese etwa ein Jahr) vorhanden. Eine überragende Rolle spielt hier natürlich die Sexualität. Der dritte Teil dieses Modells wird von der sogenannten Verbindlichkeit repräsentiert. Diese umfasst vor allem die bewusste Entscheidung, eine langfristige Verbindung mit dem Partner einzugehen. Diese Entscheidung wird durch das gemeinsame Wohnen, die Heirat und auch die sexuelle und gedankliche Treue manifestiert.

Freundschaft – Vernarrtheit – Verblendung

Gemäß seines Modells unterscheidet Sternberg auch verschiedene Formen der Liebe. In der für ihn „vollendeten Liebe“ sind alle drei Komponenten gleich stark vertreten und korrespondieren auch ähnlich stark miteinander. Intimität, ohne Leidenschaft und Verbindlichkeit ist lediglich „Freundschaft“, Leidenschaft allein „Vernarrtheit“ und nur Verbindlichkeit „leere Liebe“. Verbindlichkeit und Leidenschaft, ohne Intimität wird von Sternberg als „Verblendung“ definiert. Fehlt es an Verbindlichkeit, handelt es sich um „romantische Liebe“ und ohne Leidenschaft um „Kameradschaft“.

Liebeskonzepte für die Generation Tinder

Nach dem Soziologen John Allen Lee und seinem Buch „The colours of love“ (1973) können Menschen in verschiedenen Lebenssituationen allerdings auch ganz verschiedene Liebesstile bevorzugen. Dabei geht auch Lee von unterschiedlichen Arten der Liebe aus und vervollkommnet die schon vorgestellten Modelle um weitere Spielarten. Da ist zum Beispiel eine weitere Primärform der Liebe (nach dem Modell der Grundfarben) der sogenannte „Ludus“. Hier geht es um die Liebe als Spiel, bei dem auch die Lüge erlaubt ist. Dabei hat der „Liebende“ keinerlei Perspektiven im Sinn. Es geht eher um eine Art Simulation, die auf reine Lustgewinnung abzielt und in der alle Anzeichen auf eine wirkliche emotionale Bindung als Belastung empfunden werden. Der Generation Tinder dürfte dieses Liebes-Konzept nicht unbekannt sein.

Weitere Liebes-Arten des „Ludus“ sind „Pragma“ und „Mania“. Bei ersterem wird der Partner ganz nach pragmatischen Gesichtspunkten ausgewählt. Auf diese Art „Einkaufsliste“ zielen zum Beispiel die Algorithmen der Online-Dating-Portale ab.

Bei „Mania“ wiederum, der manischen Liebe, geht es um die Herstellung des größtmöglichen Dramas, der perfekten Hollywood-Inszenierung der eigenen Gefühle. Diese Form der Liebe ist von purer Irrationalität, Obsessionen und Besitzstandsdenken dominiert. Den Liebesbeweisen des Anderen wird dabei aufgrund eigener emotionaler Unsicherheit kaum Glauben geschenkt. Auch deshalb müssen diese ständig wiederholt werden. Diese Art von Liebe hat eine hohe Intensität bei gleichzeitig geringer Laufzeit.

Im zweiten Teil geht es um 15 Fakten zur Liebe… die rein gar nichts mit Romantik oder Poesie zu tun haben.

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