Sein Hollywood-Glanz, der europäische Chic und der kraftvolle Schnitt seiner „Power-Anzüge“ machten ihn zum zweifellos einflussreichsten Fashion-Designer einer ganzen Dekade. Der mittlerweile 85-Jährige ist bis heute der Liebling der Stars, gilt als „König der Lässigkeit“ und erfolgreichster italienischer Mode-Designer aller Zeiten.
Ein Statement der 80er: der zweireihige Armani von der Stange für 1.000 Dollar
Zwischen 1984 und 1989 war die Fernsehserie „Miami Vice“ weltweit ein Straßenfeger und galt als Inbegriff der Coolness. Zwischen Palmen, halbnackten Beach-Babes und Speedboot-Rennen ermittelte ein von Don Johnson und Phillip Michael Thomas gespieltes Cop-Duo und trug dabei stets perfekt sitzende Power-Anzüge, vorzugsweise in Grau und Beige, die ganz ohne steife Kragen auszukommen schienen. Vor allem der von Don Johnson gespielte Sonny Crockett lehnte eigentlich in jeder Folge mindestens einmal an seinem Ferrari und trug dabei über dem T-Shirt lässig fallende Sakkos, deren Ärmel sich – in der Sonne Floridas ganz praktisch – sogar hochkrempeln ließen. Hinter diesen neuartig leichten Anzügen stand der italienische Mode-Designer Giorgio Armani, der dem ungefütterten Jackett, der sogenannten „giacca destrutturata“, eine außergewöhnliche Karriere verdankte. Wie sich der stets gut trainierte und braungebrannte Italiener seine Mode vorstellte, machte er in einer Dokumentation über seine Arbeit deutlich: Dabei riss er aus einem Sakko mit roher Gewalt Futter und Schulterpolster raus und zeigte ziemlich anschaulich, wie aus einer steifen Uniform mittels weniger Handgriffe ein luftiges Mode-Statement wird.
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Damit kreierte der Designer den Look, der zweifellos das große Geschäft der 80er Jahre beherrschte. Der umgangssprachlich als Power-Anzug bezeichnete zweireihige Armani wurde zur Uniform aller, die sich für besonders hip und erfolgreich hielten. Mit einem Preis von über 1.000 Dollar galten die neuen Modelle als exorbitant teuer für Maßschneiderei von der Stange. Dennoch wurden sie den Verkäufern weltweit aus den Händen gerissen.
Richard Gere läutet das Armani-Jahrzehnt ein
Hinsichtlich der unglaublichen Karriere dieses ehemaligen Schaufenster-Dekorateurs stellt sich die Frage: Was wäre Giorgio Armani ohne Richard Geres Rolle im Film „American Gigolo“ (dt. „Ein Mann für gewisse Stunden“) gewesen? Die Antwort gibt der Regisseur und Drehbuchautor Paul Schrader selber: „American Gigolo handelt nicht einmal von seinem Protagonisten, sondern von dem, was er trägt. Denn in diesem Film geht es vor allem um Armani. Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Idee die Blaupause für ein ganzes Jahrzehnt geliefert hat“, so der Amerikaner, der unter anderem auch die Drehbücher für „Taxi Driver“ und „Wie ein wilder Stier“ geschrieben hatte. Auf dem Höhepunkt der materialistischen Achtzigerjahre, so Schrader, machte die Kleidung nicht mehr den Mann, sondern ein Mann seine Kleidung. „Für mich waren die Klamotten und der Charakter eins. Ich meine, da ist ein Typ, der eine Linie Kokain zieht, um sich anzukleiden.“
Medizinstudent und Schaufensterdekorateur
Vor der Veröffentlichung von „American Gigolo“ war Giorgio Armani ein italienischer Designer mit wenig Profil und einem geringen Bekanntheitsgrad vor allem in den USA gewesen. Der bereits über 40-Jährige hatte ein Medizinstudium abgebrochen, um zunächst Schaufenster-Dekorateur für Herrenmode im Mailänder Kaufhaus La Rinascente zu werden. 1963 begann er damit, eine Herrenlinie für das Modehaus von Nino Cerutti zu entwerfen und wagte sich wenig später an eigene Kreationen. Unter bescheidenen Bedingungen hatten er und sein Lebensgefährte Sergio Galeotti begonnen, eine eigene Marke aufzubauen. Das Geld war dabei so knapp, dass Armani die Muster auf Stoffe zum Teil selber malen musste und Galeotti Kleidung an Kaufhäuser verkaufte, die erst noch hergestellt werden musste. 1975 dann der Durchbruch. Das US-Kaufhaus nahm die erste vollständige Armani-Kollektion in sein Sortiment auf und erzielte damit unerwartet hohe Umsätze.
Der König des Blazers nutzt seine Fans in Hollywood
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Obwohl seine weichen Anzugjacken Europa im Sturm erobert hatten und er dort schon als „König des Blazers“ gerühmt wurde, blieb Giorgio Armani in den USA relativ unbekannt. Zum Glück fand der Italiener vor allem dort Bewunderer, wo es am meisten darauf ankam: in Hollywood. Einer seiner ersten großen Fans war John Travolta, der den „American Gigolo“ ursprünglich spielen sollte. Travoltas Manager bestand bei den Verhandlungen darauf, dass der Star von „Saturday Night Fever“ im Film nur Armani tragen dürfe. Travolta stieg zwar kurz darauf aus, doch Armani blieb an Bord. Wie sich herausstellen sollte, eine perfekte Symbiose. Zwar hatte die Rolle des von Richard Gere verkörperten Edel-Callboys Julian wenig Tiefgang, dafür stand er für alles, was Giorgio Armani seiner potenziellen Klientel vor Augen führen wollte: mühelos sexy, nicht übermäßig männlich, aber selbstbewusst genug, um sich ernsthaft Sorgen darüber zu machen, wie er aussieht. Die Armani-Kleidung schien mit dem rätselhaften Protagonisten eine symbiotische Beziehung einzugehen. Sie gaben Gere die sinnliche, leichte Note, die für die Rolle wesentlich ist, und er gab den Mänteln, Sakkos und Anzügen Leben, Breite und Charakter.
Gut vorbereitet auf den Erfolg
Die Garderobe in „American Gigolo“ machte Armani zu einem Star. Männer im ganzen Land sahen sich in Julian – oder besser: Sie sahen in dem Callboy, wie sie gern selbst gesehen werden wollen. Und dazu gehörte ab sofort eine kühne Armani-Silhouette. Wie sich Insider erinnern, soll sich die Savile Row, Englands legendäre Verkaufsstraße für Maßanzüge, über Nacht verändert haben. Und es wäre wohl naiv zu glauben, dass der Erfolg des mittlerweile 47-jährigen Italieners auf einem glücklichen Zufall beruhte. Denn Giorgio Armani hatte einen Plan und war auf den schnellen Erfolg mehr als gut vorbereitet. Schon bevor der Film weltweit in die Kinos kam, hatte er seine erste internationale Konfektionslinie fertiggestellt. Als Agenturen und Makler in London, New York und Los Angeles nur noch nach den neuartigen Anzügen fragten, war Armani vorbereitet, ihre Forderungen für eine komplett neuartige Kundschaft zu erfüllen.
„Karrierefrauen fühlten sich durch mein fließendes Design gut geschützt“
Das, was heute wie ein übles Klischee aussieht, war 1980 nichts anderes als revolutionär. Denn unter dem Einfluss von Giorgio Armani erfuhr der Anzug eine gründliche Transformation. Leichte und großzügige Silhouetten ermöglichten aufstrebenden Mitgliedern einer neuen Business-Klasse, sich mit kräftigen Farben und gewagteren Stoffen zu präsentieren. Armani entfernte die innere Polsterung seiner Anzugjacken, wechselte von traditionellen Stoffen zu Leinen und tauschte traditionelle und harte Schwarz- und Blautöne in leichtes Beige oder helles Braun. Der Mann aus den 1980er Jahren war einfach mutiger, geschmeidiger und sexier als seine Vorgänger. Aber auch die Frauen liebten den eleganten Italiener. Denn er konnte perfekt ihre Mängel verbergen. „Neben den Männern habe ich definitiv auch das Aussehen der Frauen verändert“, sagte er kürzlich nicht ohne Stolz in einem Interview. „Mein damaliger Erfolg in den Achtzigerjahren war auch Karrierefrauen zu verdanken, die vielleicht zu dicke Beine oder zu mächtige Oberschenkel besaßen und sich durch meine fließende Kleidung, die ihre Fehler verbarg, gut geschützt fühlten.“
Ein Geheimnis von „GA“: Star-Power
Aber die Karrierefrauen und Wall Street-Haie nach Vorbild eines Gordon Gecko waren Giorgio Armani als Markenbotschafter bei weitem nicht genug. Vielmehr sollten die Beziehungen in die Film- und Musikwelt seine Marke vor allem im amerikanischen Mainstream tief verankern. So stattete Armani nicht nur stilbildende Filme wie „The Untouchables – Die Unbestechlichen“ mit Kevin Costner und Sean Connery oder „Homo Faber“ mit Sam Shepard und July Delpy aus, sondern überzeugte auch zahlreiche Pop-Stars auf der Bühne oder in Videos, nur in Armani aufzutreten. Bestes Beispiel ist Eric Clapton, den der Designer zu seinen engsten Freunden zählt und der immer in Armani-Anzügen selbst Musikstücke extra für Armani-Modenschauen komponiert hat. Andere Armani-Fans sind Michelle Pfeiffer, Ricky Martin sowie Ben Affleck und Matt Damon. Letztere bedankten sich bei der Oscarverleihung 1997 (Preis für Drehbuch „Good Will Hunting“) vor großem Publikum bei Armani für ihre schicken Smokings.
Die 1990er – der Armani Power-Anzug ist out
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Die Zweireiher von Armani beherrschten auch noch die 1990er Jahre. Doch das, was an Richard Gere noch so gefährlich und lasziv sexy aussah, war längst zahm und Mainstream geworden. Während in den 1980er Jahren die erfolgreichen Wall-Street Banker wie Richard Gere auszusehen versuchten, wollten nun Durchschnittstypen wie Wall Street Banker aussehen. Zwar schworen noch immer zahlreiche „Fans“ auf ihren „GA“-Anzug, aber für die Jugend waren Khakihosen und Flanellhemden längst angesagter. Der Power-Anzug war out. Das Geldverdienen war nicht mehr so wichtig und dasselbe galt auch für die Klamotten. Giorgio Armani hatte sein Jahrzehnt gehabt, oder sollte man besser sagen: zwei. Und das Beste daraus gemacht. Seine Marke, deren alleiniger Besitzer er geblieben war (und bis heute ist), hatte 2015 einen Wert von sieben Milliarden Euro, er selbst ein Privatvermögen von drei Milliarden. Er war längst zum erfolgreichsten italienischen Mode-Designer aufgestiegen und selbst bekannte Rap-Stars wie Whiz Khalifa oder Kanye West besangen seine Marke. Schon 1991, als er der Style-König unter den Königen an der Wall Street war, hatte er begonnen, seine Marke zu diversifizieren. Armani Exchange. Armani Jeans, Armani Casa Haushaltswaren, Armani Parfüm (Emporio Armani), Armani Junior, Armani Dessous oder Armani Collezioni – es gab kaum ein Feld, in dem er seine Duftmarke nicht hinterlassen wollte.
Was bedeutet es einen Anzug zu tragen?
Mittlerweile ist Giorgio Armani 85 Jahre alt. Und obwohl er immer noch topfit wirkt, nähert er sich langsam seinem Ruhestand. Seine Arbeiten werden mittlerweile in Museen und Retrospektiven gezeigt. Ein Beweis dafür, dass er zu den ganz Großen in der Geschichte des Mode-Designs zählt.
Während Armani-Anzüge ihre eigene Art von einzigartiger Monokultur hervorgebracht haben, erreichten sie mehr als das. Giorgio Armanis Arbeit definierte neu, was es bedeutet, einen Anzug zu tragen.
7 Fakten, die du wahrscheinlich noch nicht über Giorgio Armani kanntest
Giorgio Armani ist zweifellos einer der bedeutendsten Mode-Designer unserer Zeit. Im Gegensatz zu einigen seiner Berufskollegen ist der 85-Jährige allerdings überaus bescheiden und gibt nur äußerst selten Interviews. Deshalb haben wir von SUNNY hier noch ein paar Fakten zusammengetragen, die wahrscheinlich noch nicht über ihn bekannt sind:
1. Giorgio Armani ist nicht nur Vegetarier, sondern auch strikter Anti-Alkoholiker. Auch in Sachen eigener Mode ist der Italiener Reduktionist. Er trägt meist schwarze T-Shirts oder dunkle Kaschmir-Pullover über seinem durchtrainierten Oberkörper.
2. Giorgio Armani kann als der Begründer des kaum abnehmenden Kults um die Bomberjacke angesehen werden. Unter den ersten Kleidungsstücken, die er unter seinem eigenen Namen entwarf, waren 1970 eine Reihe von Leder-Bomberjacken. Als er später schon sehr bekannt war, entwarf er immer mal wieder eigene Modelle dieses Mode-Klassikers.
3. Armani liebt Sport. Er ist glühender Anhänger von Inter Mailand und Mitglied der Basketballmannschaft von Olimpia Milano. Wenn er sich eine Mannschaft in der Premier League aussuchen müsste, wäre es wahrscheinlich Chelsea. Er entwarf Anzüge für das Team und arbeitete an der Innenausstattung des Stadions an der Stamford Bridge.
4. 2006 war Armani der erste Designer, der die Teilnahme von Modellen der Größe Null an seinen Modenschauen untersagte. Sein deutliches Statement: Er wolle nur Frauen in der Modebranche, die gesund aussehen und ein normales Gewicht haben. Im Kampf gegen die Magersucht versuchte Giorgio Armani auch Kollegen davon zu überzeigen, nicht mit Modellen mit einem Body-Mass-Index von weniger als 18 zu arbeiten. Kurz vorher war das 22-jährige uruguayischen Modell Luisel Ramos gestorben, nachdem sie drei Monate lang kaum etwas gegessen hatte.
5. Armani ist praktisch der Schutzpatron der Mode in Italien. Er entwarf Uniformen für die Polizei, stattete Mailänder Taxifahrer aus und kreierte sogar den Umschlag eines Evangelienbuchs für den Papst.
6. Der Designer, der Zeit seines Lebens nie ein Statement zu seiner Sexualität abgegeben aber stets mit Lebensgefährten zusammengelebt hat, wurde einmal selbst der Homophobie beschuldigt. Der Grund: Armani hatte in einem seiner seltenen Interviews gesagt: „Ein homosexueller Mann ist zu 100 Prozent ein Mann. Er muss sich dafür nicht auffallend schwul kleiden. Wenn Homosexualität so exhibitionistisch ist, dass sie ständig mitzuteilen scheint: ‚Wussten Sie eigentlich schon, dass ich homosexuell bin‘, hat das nichts mit mir zu tun. Ein Mann muss schon immer noch ein Mann bleiben.“
7. Weihnachten feiert Girgio Armani immer zu Hause in Mailand im Kreis seiner Familie. Er selbst bereitet dann nach dem Rezept seiner Mutter ein gefülltes Hühnchen mit Senf und Tortelli alla Piacentina zu. Die Tortelli, in Butter und Parmesan geschwenkt, erfordern, so der Designer „eine zarte Hand“. Zum Dessert gibt es Panettone, die in kleine Stücke geschnitten mit Sahne oder Schokolade serviert werden.
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin