Wie außer ihm vielleicht nur noch Zeitgenosse Peter der Große, Zar von Russland, präsentierte sich der Kurfürst und König in Personalunion als Kraftprotz, Weiberheld und Verschwender. Sein Leben wurde von zwei Abhängigkeiten verzehrt: dem unerbittlichen Streben nach Macht und dem kompromisslosen Streben nach Vergnügen. Dabei war es ihm ein besonderes Anliegen, dass sich das Bild eines unersättlichen Liebhabers verbreitet. Der Legende nach soll er am Ende 365 uneheliche Kinder gezeugt haben. In unserer Serie „Die größten Frauenhelden und Verführer aller Zeiten“ wollen wir von CarlMarie uns mit dieser Legende beschäftigen und außerdem zeigen, mit welchen Frauen seiner Zeit Friedrich August der II. wirklich amouröse Verbindungen unterhielt.
Wenn es um August den Starken geht, wird es schwierig, die Legende von der Wahrheit zu unterscheiden. Fakt ist allerdings eins: In Sachsen und vor allem in dessen Hauptstadt Dresden hat kein Herrscher solch bleibende Spuren hinterlassen wie er. Der „Goldene Reiter“ zeigt ihn hoch zu Ross auf seinem Lippizaner-Hengst reitend und ist das bekannteste Denkmal der Elbestadt. Ihm verdanken die Dresdner unter anderem die Gemäldegalerie „Alte Meister“, die umfangreiche Sammlung im Grünen Gewölbe, den Bau der Frauenkirche sowie des Dresdner Zwingers und somit letztendlich auch den berühmten Dresdner Beinamen „Elbflorenz“. Doch noch viel mehr als die architektonischen Hinterlassenschaften interessierte August die Bestätigung seiner absolutistischen Herrschaft, frei nach dem Motto anderer Monarchen: L’État, c’est moi (dt. „Der Staat bin ich!“). Mit 17 Jahren war August auf der in dieser Epoche obligatorischen „Grand Tour“, einer Bildungsreise für junge Adlige, auch in Paris vorbeigekommen. Der Eindruck, den Schloss Versailles und das dazugehörige Hofleben auf ihn machte, sollte ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen.
Hofdame und gefährliche Marquesa
Dies noch mehr, als ihm als Zweitgeborenen eigentlich gar keine Herrschaft in Sachsen erwartete. So wurde August auch eher in den schönen Künsten unterrichtet, lernte Sprachen und interessierte sich bereits früh für das schöne Geschlecht. Noch vor seiner Kavalierstour durch halb Europa hatte er 1686 als Sechzehnjähriger eine frühe Liebesaffäre mit Marie Elisabeth von Brockdorf, einer Hofdame die auch prompt von jenem verwiesen wurde, als die Verbindung publik geworden war. Da sein Vater, Kurfürst und Herzog von Sachsen, den schönen Frauen allerdings ebenso zugeneigt war, durfte sie später wieder zurückkehren. Dem zweitjüngsten Sprössling wurde das fidele Leben leicht verziehen, erwartete ihn doch eigentlich ein Leben ohne Verantwortung. Und August machte von seinem Hallodri-Bonus zunächst reichlich Gebrauch. 1688, noch immer auf seiner „Grand Tour“, verführte er in Spaniens Hauptstadt die noch blutjunge jugendliche Marquesa de Manzera und entkam danach den Auftragsmördern, die der gehörnte Ehemann hinter ihm hergejagt hatte.
Offizielle Heirat und die erste Mätresse
Doch 1693, mit 23 Jahren, musste August den offiziellen Teil seines Liebeslebens zunächst abhaken. Denn trotz aller Mätressen und Geliebten gehörte jeder Adlige auf ganz offizielle Art verheiratet. Die Angetraute war in diesem Fall eine deutsche Prinzessin mit Namen Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth. Sein Vater hatte einiges an Überredungskunst aufwenden müssen, um seinen als flatterhaft geltenden Sohn an die „Frau“ zu bringen. Und der hatte mitnichten vor, sich nur mit einer Dame zu begnügen. Wie in dieser Zeit üblich nahm sich August nur kurz nach der Hochzeit eine Mätresse seiner Wahl. Eleonore von Kessel war die Erste einer ganzen Reihe von adligen und nichtadligen Frauen, die obwohl unverheiratet mit dem Kurfürsten ganz offiziell an allen Empfängen und Festlichkeiten teilnehmen durften. Schon damals wurde übrigens der Unterschied zwischen Preußen und Sachsen als Antipoden in der Machtausübung deutlich. Während sich die sächsischen Herrscher vor allem in ihrer kulturellen Pose gefielen, Prunk und Verschwendung zeigten, setzten die Preußen spätestens seit dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. auf Disziplin und asketische Klarheit. Friedrich Wilhelm der I. hatte zeitlebens keine Mätresse und galt an den Fürstenhöfen Europas deshalb auch als Sonderling.
Kurfürst und König von Polen
Schon ein Jahr später war allerdings auch Eleonore von Kessel als erste Mätresse von Augusts Seite verdrängt. Aurora von Königsmarck, eine eloquente und kunstsinnige Adlige aus Schweden, nahm ihren Platz ein und gebar 1696 Moritz von Sachsen, der später in Frankreich zu einem von nur sieben Generalmarschällen aufsteigen würde. Den Legenden zufolge soll August der Starke während seines ganzen Lebens mit seinen Mätressen weit über 300 Kinder gezeugt haben. Ein Gerücht, welches die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, ihres Zeichens Schwester Friedrichs des Großen, in die Welt gesetzt hatte. Allerdings war Wilhelmine selbst nie in Dresden und so muss auch diese Zahl in Zweifel gezogen werden. Historikern ist die Existenz von lediglich neun Kindern August des Starken bekannt. Allerdings stammen die von sechs verschiedenen Frauen und so ist zumindest der Ruf eines „Frauenhelden“ mehr als nur das Zeug von Legenden.
Etwa zur selben Zeit, als Aurora von Königsmarck das Spielfeld in „Elbflorenz“ betrat, ereignete sich auch im politischen Leben August des II. Bedeutsames. Augusts älterer Bruder, Kurfürst Johann Georg IV., hatte sich bei seiner eigenen Mätresse auf deren Totenbett mit Pocken angesteckt und war kurz darauf verstorben. Herrscher war nun der Jüngere, August der II. und würde es für die nächsten knapp 40 Jahre bleiben. Als erstes wurde dem imposanten Herrscher, der mit einer Körpergröße von 1,76 Metern die meisten Zeitgenossen deutlich überragte, die Krone von Polen angeboten. 1896 war der König von Polen und gleichzeitige Großfürst von Litauen gestorben und um die Nachfolge konnten sich in der Wahlmonarchie auch Ausländer bewerben. August konvertierte – unter dem Spott seiner standhaft protestantischen Untertanen – zum Katholizismus und errang tatsächlich die Krone. Mit der Rangerhöhung und den vergrößerten Steuereinnahmen entwickelte er sich in den Folgejahren zu einem großzügigen Förderer von Kunst und Wissenschaft sowie zu einem lernfähigen Politiker aber auch katastrophalen Militär. August soll in seinen besten Zeiten in einer Nacht bis zu sieben Flaschen besten ungarischen Tokajers getrunken und danach zwei Tage seinen Rausch ausgeschlafen haben. Vielleicht hat er auch deshalb fast jeden seiner Kriege verloren.
„Der König, wacker in diesem Punkte, allen voraus“
Viel wichtiger als politische Macht war August allerdings wohl sein Ruf als übergroße Herrscherfigur. Und dafür strickte er an jeder Legende mit, die diesen noch größer und glamouröser machte. Ein Hufeisen soll er zerbrochen und sich darüber sogar ein Zertifikat ausstellen lassen haben. Das gute Stück sei angesägt gewesen, behaupteten früh schon böse Zungen. Den Zunamen, „der Starke“ bekam er erst nach seinem Tode von den Erzfeinden aus Preußen verpasst, wobei wohl dabei auch eine ganze Portion Spott im Spiel gewesen war. Was den „sächsischen Herkules“ am Ende antrieb, es auf der einen Seite so wild zu treiben und das Ganze dann nochmal doppelt und dreifach so groß zu machen, verriet einer seiner engsten Vertrauten später 1722 in seinen Memoiren: „Er hat vor allem geliebt, um damit Aufmerksamkeit zu erregen“, schrieb Graf Heinrich von Flemming, Augusts Regierungschef in Sachsen. Für August den Starken, den Sexprotz von der Elbe, war in erster Linie wichtig, als unwiderstehlicher Liebhaber von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Dass er das Ganze auch zu inszenieren verstand, berichtete Michael von Loen, ein Abgesandter Preußens über den 48. Geburtstag des Herrschers 1718 am Dresdner Hof: „Der ganze Garten war beleuchtet und hatte in den beiden Ecken zwei Kabinette zu stillen Vergnügungen. Der König, wacker in diesem Punkte, allen voraus.“
Die große Liebe zu Gräfin Cosel endet mit Festungshaft auf Lebenszeit
Zu diesem Zeitpunkt war auch schon einige Jahre her, was Zeitgenossen als die einzige wirkliche Liebesgeschichte August des Starken beschrieben. 1705 hatte der Kurfürst und König eine gewisse Anna Constantia von Brockdorf kennengelernt und zur Gräfin Cosel ernannt. Neun Jahre hielt diese Liaison, danach fing August aufs Neue an, nach weiteren Mätressen umzuschauen, auch weil man in Polen lieber katholische Partnerinnen an der Seite des Regenten sehen wollte. Doch das Los, ins zweite Glied gerückt zu werden, wollte die selbstbewusste Gräfin nicht so einfach über sich ergehen lassen. Sie begann Geldforderungen zu stellen und am Hof ihre eigenen Strippen zu ziehen. Als sie schlussendlich damit drohte, ein früheres Versprechen Augusts auf die Eheschließung publik zu machen, ließ August sie verhaften und auf der Festung Stolpen inhaftieren. Dort verbrachte die Gräfin die restlichen 49 Jahre ihres Lebens.
Zwei Kinder mit Fatima
Zum Zeitpunkt, als August die Cosel kennenlernte, hatte er schon für reichlich weiteren Nachwuchs gesorgt. Zwei Kinder, die später als Graf und Gräfin Rutowski bekannt waren, hatte er zusammen mit Fatima, einer Türkin, die ihm als Beute überlassen worden war, und welche er zu Frau von Spiegel adelte. Johann Georg „Chevalier de Saxe“, geboren 1704, war ein Ergebnis der Beziehung mit Ursula Lubomirska, einer Adligen aus Polen. Mit Henriette Duval, der Tochter eines Weinhändlers in Warschau, hatte er eine Tochter, die spätere Gräfin Orzelska. Und auch aus der Beziehung zu Anna Constantia von Brockdorf gingen drei Kinder hervor.
All das waren die Ergebnisse eines ereignisreichen ausschweifenden Lebens, auf das August der Starke auch in den letzten Jahren seines Lebens nicht verzichten wollte. Sein ausschweifender Lebensstil hatte einige Schäden hinterlassen und ließ den Kurfürsten unter anderem an den Folgen seiner Diabetes leiden. Doch die Ratschläge seiner Hofärzte befolgte der mittlerweile über 60-Jährige nicht. Als er am 1. Februar 1733 – nicht in Dresden – sondern in Warschau starb, da verließ mit ihm einer der schillerndsten Herrscher Europas und ebenso einer der bis heute bekanntesten Frauenhelden der Geschichte die Bühne.
Die größten Frauenhelden und Verführer aller Zeiten
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freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin