Die Schöne und das Bio – Was ist dran am Hype um Naturkosmetik?

Natürliche Kosmetik vor weißem Hintergrund
©istock/paulynn
Obwohl die Menschen weltweit mehr denn je um ihre eigene Gesundheit und die der Umwelt besorgt sind, scheint eines immer noch allgemeingültig zu sein: Was Öko und Bio ist, kann gleichzeitig nicht schön und sexy sein. Doch auch die Beauty- und Kosmetik-Industrie ist längst ins Fadenkreuz der Naturschützer und Fair Trade-Aktivisten geraten.

Der Vorwurf: Fast alle herkömmlichen Kosmetika seien voller schädlicher Chemikalien, mit Hilfe von Tierversuchen hergestellt und Inhaltsstoffe wie Palmöl würden zur weltweiten Ausbeutung von Mensch und Natur beitragen. Nicht umsonst erfährt genau deswegen die sogenannte Naturkosmetik einen besonderen Aufschwung. Doch was ist dran an diesem Hype, wie kannst du diese von herkömmlicher Kosmetik überhaupt unterscheiden, wie findest du dich zurecht im Dschungel der Inhaltsstoffe? CARLMARIE gibt dir hier einen Überblick in Sachen Natur-, Bio- und naturnaher Kosmetik. Wir erklären dir, was die wichtigsten Gütesiegel bedeuten, mit welchen Apps man seine Kosmetikprodukte überprüfen sollte, was es heißt das Thema Detox auch auf Bad und Kosmetikkoffer anzuwenden und mit welchen Mythen und Vorurteilen in Sachen Naturkosmetik unbedingt aufgeräumt werden sollte.

Inhaltsverzeichnis

Das Thema Kosmetik, das muss diesem Artikel vorangestellt werden, hat in der heutigen Zeit tatsächlich eine außergewöhnliche Relevanz. Zum einen ist es ein gigantischer Wirtschaftsfaktor: Allein die Deutschen investieren im Jahr etwa 30 Milliarden Euro in Produkte für Körperpflege und Kosmetik. Das entspricht ungefähr einem Fünftel, was jährlich für Essen und Trinken ausgegeben wird. Wie das unseren Körper und das Ökosystem belastet, kann man sich leicht ausmalen, wenn man sich in den Konsum von Kosmetika die Chemikalien hinzudenkt, die größtenteils für ihre Produktion verwendet werden.

Na und, könnte man meinen – immerhin müssen Haarspray, Pflegelotion oder Nagellack ja auch nicht gegessen oder getrunken werden. Doch die Haut ist das größte Organ des Körpers – und bei weitem das dünnste und durchlässigste. Fast alles, was auf die Haut auftragen wird, gelangt auch in den Blutkreislauf. So ist das Auftragen und Verreiben von Chemikalien auf Haut oder Kopfhaut wesentlich problematischer, als etwa gespritztes Obst zu essen. Wenn du etwas isst, helfen die Enzyme in deinem Speichel und Magen, es zu zersetzen und aus deine, Körper herauszuspülen. Werden diese Chemikalien jedoch auf die Haut aufgetragen, fehlt der Filter und die Inhaltsstoffe gelangen sofort zu den Organen. Aber wir schauen genau hin.

Es gibt keine rechtliche Definition für Naturkosmetik

Ein Großteil der wissenschaftlichen Studien zum Thema „Umwelt- und Körperverträglichkeit herkömmlicher Kosmetikprodukte“ wird von der Industrie selbst in Auftrag gegeben und ist deshalb nur bedingt aussagekräftig. Fakt ist aber nach Meinung der meisten Fachleute, dass vieles was der Mensch heute an seine Haut lässt, die Umwelt gefährdet, die weltweite Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und Menschen fördert und vor allem gesundheitlich bedenkliche Substanzen enthält. Immer mehr Menschen wollen deshalb, dass auch in ihrem Badezimmer oder Kosmetikkoffer „grün“ regiert. Doch wie genau findet man heraus, welches Produkt welche Inhaltsstoffe enthält und was diese – im positiven oder negativen Sinne – genau bewirken? Dabei ist zunächst festzustellen, dass eine genaue juristische Definition, was „Naturkosmetik“ ist, bis heute fehlt. Worauf allerdings alle Produkte, die sich als Naturkosmetik bezeichnen, verzichten, sind synthetische Substanzen auf Erdölbasis wie etwa Paraffine. Außerdem enthält kein naturkosmetisches Produkt Silikone oder künstliche Duftstoffe.

Was unterscheidet „naturnahe Kosmetik“, „Bio-Kosmetik“ und „Naturkosmetik“?

 

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Wer heutzutage sicher gehen will, nur „saubere“ Kosmetik an seine Haut zu lassen, kann sich ehrlich gesagt nicht mehr auf das Kennzeichen „grün“ verlassen. Denn immer mehr Firmen betreiben sogenanntes „Green-Washing“, was nichts anderes bedeutet, als dass mit irgendwelchen Kennzeichnungen geschummelt wird, ohne wirklich Hinweise darauf zu geben, was das hinsichtlich der beinhalteten Substanzen wirklich bedeutet. Wer also wissen will, was genau in der Antifalten-Creme, der Badelotion oder dem Lippenstift steckt, muss sich bei der Überprüfung auf die Inhaltsstoffe konzentrieren. Sogenannte „naturnahe“ Kosmetik verzichtet auf gewisse synthetische Substanzen, lässt aber andere zu. Zertifizierte „Naturkosmetik“ dagegen besteht zu 100 Prozent aus Ingredienzien natürlicher Herkunft. Und am strengsten sind die Standards bei sogenannter „Biokosmetik“. Bei diesen Produkten wird garantiert, dass 95 Prozent der Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen.

Was sollte auf gar keinen Fall in Naturkosmetik sein?

Wenn man alle Unterkategorien zum Thema „Naturkosmetik“ zusammenfasst, dann lässt sich sagen, dass sich – bei allen Unterschieden – hinsichtlich der verbotenen Inhaltsstoffe ein Konsens bei allen Herstellern feststellen lässt. Tabu sind:

  • Paraffine und andere Erdölprodukte (z.B. Vaseline)
  • Silikone (werden vor allem für Anti-Falten Cremes eingesetzt und können die Haut gefährlich spröde machen)
  • Emulgatoren
  • Parabene (Konservierungsstoffe)
  • synthetische Farb- und Duftstoffe (Flavour, Aroma, Fragrance)

Wer echte Naturkosmetik will, sollte auf diese Siegel achten:

1. NaTrue

Dieses Siegel ist weltweit anerkannt und garantiert, dass alle damit gekennzeichneten Produkte tatsächlich so natürlich wie möglich sind. Die strengen Richtlinien stellen sicher, dass in diesen Körperpflegeprodukten weder genetisch veränderte Substanzen und Silikone noch synthetische Farb- und Duftstoffe verarbeitet wurden. Eine strenge Linie wird bei NaTrue auch beim Thema Tierversuche gefahren. Zwar sind in der EU diese bezüglich der Kosmetik-Produktion bereits verboten, aber NaTrue geht noch ein bisschen weiter und verbietet auch den Verkauf dieser Produkte in Länder (z.B. China), wo Tierversuche in der Kosmetikindustrie immer noch angewendet werden. Produkte mit NaTrue-Siegel werden in die Zertifikats-Stufen Biokosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und Naturkosmetik unterteilt. Allerdings sind diese auf den Produkten nicht gekennzeichnet. Wer es also ganz genau wissen will, muss dafür im Internet nachschauen.

2. EcoCert

Wer dieses Siegel des französischen Zertifizierungs-Verbandes für Öko-Kosmetik erhalten möchte, muss garantieren, dass in seinen Produkten mindestens 50 Prozent der Substanzen einen pflanzlichen Ursprung, mindestens 5 Prozent aus ökologischem Anbau stammen. Möchte man das Extra-Siegel „Biokosmetik“ auf seine Produkte heften, müssen sogar 95 Prozent der Inhaltsstoffe „natürlich“ und zehn Prozent „öko“ sein. Auch bei EcoCert sind Synthetik und Silikone absolut tabu.

3. Vegan-Blume

 

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Kosmetikprodukte mit diesem Siegel garantieren, dass weder Tierversuche für ihre Entwicklung noch irgendwelche Tier- oder Tiernebenprodukte in den Produkten selbst eingesetzt wurden. Erlaubt sind allerdings genmanipulierte Substanzen, die nicht tierischen Ursprungs sind.

4. BDHI

Ist das Gütesiegel des Bundesverbandes der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel. Dieses Siegel besagt, dass bei den zertifizierten Produkten auf Bestrahlung, die Verwendung von Mikroplastik und Gentechnik verzichtet wurde. Das BDHI-Siegel zeigt außerdem, dass Verpackungen aus recycelten und recycelbaren Materialien bestehen. Der BDHI ist ein Traditionsverband, der für die Qualität der verarbeiteten Substanzen garantiert, seinen Partnern allerdings auch ein paar Schlupflöcher in Sachen Tierversuche lässt.

5. Demeter

Die wahrscheinlich strengsten Richtlinien für „saubere“ Kosmetik hat der biologische Anbauverband „Demeter“, welcher schon in den 1990er Jahren erste Richtlinien für Kosmetikprodukte entwickelte. Biodynamische Naturkosmetik, welche dieses Siegel besitzt, besteht zu 90 Prozent aus „Demeter-Rohstoffen“. Bei ihrer Herstellung wurde außerdem auf Mineralöle, Gentechnik und die Verwendung von Nanopartikeln verzichtet. Das erste Demeter-Siegel für Naturkosmetik erhielt übrigens bereits 1989 das Unternehmen „Tautropfen“.

6. The Leaping Bunny

1996 schlossen sich acht internationale Organisationen für Tierschutz zusammen und gründeten die Coalition for Consumer Information on Cosmetics (CCIC). Ihr weltweit anerkanntes Siegel ist „The Leaping Bunny“. Die Richtlinien hinsichtlich von Tierversuchen sind äußerst streng. Allerdings sagt das Siegel rein gar nichts über die verarbeiteten Inhaltsstoffe der Kosmetikprodukte aus.

7. PETA Cruelty-Free

Auch hier ziert eine Hase das Gütesiegel. Wer dieses Zertifikat auf seinen Produkten haben will, muss der Tierrechtsorganisation PETA schriftlich bestätigen, dass sie sowohl bei Herstellung von Rohstsoffen und Endprodukten auf Tierversuche verzichten, als auch, dass sie nicht auf dem chinesischen Markt tätig werden.

Mit diesen Apps erfährst du alles über die Inhaltsstoffe deiner Kosmetika

 

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Das sind also die Siegel, die einen Hinweis darauf geben, wie „natürlich“ die Naturkosmetik tatsächlich ist. Doch wer sich wirklich genauer mit der Zusammensetzung der Produkte beschäftigen möchte, bevor er sie in den Einkaufswagen legt, sollte auf die Hilfe von einigen ausgewählten Apps nicht verzichten. Ist nicht zertifiziertes Palmöl in der Pflegelotion oder enthält das Deodorant möglicherweise Aluminium? Das beantworten dir „ToxFox“, „Codecheck“ oder „ThinkDirty“. Ein einfacher Strichcode-Scan mit dem Smartphone oder Tablet reicht und das Programm gibt einen schnellen und leicht verständlichen Überblick über gesundheitsschädigende oder umweltfeindliche Inhaltsstoffe. Eines der besten Internetportale, welches über fast jedes Detail zum Thema „Naturkosmetik“ informiert, ist übrigens „haut.de“.

Detox und Naturkosmetik – so gelingt der Wandel im Badezimmer und Kosmetikkoffer

Unsere Erde quillt über vor synthetischen und nicht oder nur schwer recycelbaren Produkten. Das betrifft nicht nur Verpackungen oder Textilien, sondern vor allem auch Kosmetik oder allgemein Produkte zur Körperpflege. So nutzen zwei Drittel aller Frauen in Deutschland mindestens einmal pro Woche eine Tagescreme und immer noch knapp die Hälfte Haarspray und Nachtcreme. Zwei Drittel aller Männer benutzen einmal die Woche diverse Produkte zum Rasieren und immer noch jeder Sechste eine Feuchtigkeits- oder Gesichtscreme. Es bedarf nicht viel, um sich vorzustellen welche Anzahl an Mikroplastik oder schwer abbaubaren Parabenen jeden Tag nicht nur in unseren Körper sondern auch in unsere Böden und unser Wasser dringt. Es ist daher dringend Zeit, auch in deinem Badezimmer die Themen Detox und Umstellung auf Naturkosmetik zu verbinden. Und mit diesen Schritten kann das gelingen.
Du kannst dir natürlich einige Tage Zeit nehmen, um dich mit den Einzelheiten aller Inhaltsstoffe herkömmlicher Kosmetik zu beschäftigen und dann alle schädlichen Produkte mit einem Schlag zu entsorgen. Aber das ist nicht wirklich notwendig. Mit kleinen Schritten hin zur Naturkosmetik funktioniert besser und ist auch deutlich nachhaltiger. Denn ein zu radikaler Schritt führt auch schnell zu Frustrationen, weil eben auch nicht jedes Produkt der Naturkosmetik gleich die bessere Alternative oder das passende Ersatzprodukt für das bisher genutzte Mittelchen ist. Deshalb den großen Detox-Wandel lieber langsam angehen. Das heißt: Die alten Produkte erst austauschen, wenn sie leer sind. Und kurz bevor sie leer sind, schon mal mit dem Recherchieren anfangen. Der schon etwas zeitaufwändigere Schritt ist, sich mit diversen Inhaltsstoffen herkömmlicher Kosmetik und ihren Wirkungen für Körper und Umwelt auseinanderzusetzen. Dann solltest du dich Schritt für Schritt von den problematischen Substanzen trennen. Einen Anfang könnten Silikone, dann Parabene, dann Mikroplastik und unzertifiziertes Palmöl bilden.

Im zweiten Teil stellen wir 7 Mythen und Vorurteile über Naturkosmetik vor und unterziehen sie einem Faktencheck. Was stimmt heute noch und was kann man guten Gewissens als überholt ablegen.