Legendär war seine Rivalität mit Landsmann Giorgio Armani, die in dem Satz gipfelte: „Armani kleidet die Ehefrau, Versace kleidet die Geliebte.“ 1997 wurde Gianni Versace, gerade mal 50-jährig, von einem Serienmörder vor seiner Villa in Miami erschossen. Das von ihm geschaffene Mode-Imperium wurde danach von seiner Schwester Donatella weitergeführt. Ihr gelang es, Versace zu einer weltbekannten Lifestyle-Marke auszubauen, die mit dem Medusa-Logo von Bettwäsche über Geschirr bis zu Luxus-Möbeln ein ganzes Sammelsurium an Produkten verkauft.
Als Donatella Versace 2017 auf der Mailänder Modewoche ihre Modenschau als Andenken an den 20 Jahre zuvor ermordeten Bruder inszeniert hatte, da blitzte nochmal alles auf, was die Karriere von Gianni Versace so einzigartig gemacht hatte. Mit Helena Christensen, Claudia Schiffer, Cindy Crawford, Carla Bruni und Naomi Campbell liefen fünf der größten Supermodels über den Laufsteg. Und sie trugen eine goldene Version des legendären „Oroton-Kleides“, eine Art superleichtem Kettenhemd, welches der Italiener 1982 erstmals präsentiert hatte und das bis heute eines DER Symbole für Sex, Geld und Jet-Set-Lifestyle der Achtziger Jahre geblieben ist. Zusammen mit einem deutschen Handwerker hatte Versace einen Stoff entwickelt, der aus kleinen Metallscheiben bestand und die Illusion erweckte, dass sich die Textur von Metall mit der Geschmeidigkeit von Seide kombinieren ließ. Das Gewebe fiel dabei so perfekt ab, dass der Körper das besondere Gefühl bekam, mit flüssigem Metall geschmückt zu sein. Versace hatte das über Nacht zum Golden Boy des Modezirkus gemacht. 30 Jahre später, 2012, erinnerte Giorgio Armani an den Landsmann und lebenslangen Konkurrenten: „Er war unglaublich stolz auf seine süditalienische Herkunft und schaffte es, diese nonchalante Vitalität, den Ideenreichtum und den unvergleichlichen Überschwang mit einer Art antiken Klassizismus zu verbinden. Er war einfach ein großartiger Schöpfer.“
Familienunternehmen Versace
Geboren wurde Gianni Versace in Reggio Calabria, einer Stadt an der Spitze des italienischen Stiefels. Mode war ihm schon die Wiege gelegt worden, denn die Mutter besaß eine Schneiderei, in der bis zu ein Dutzend Näherinnen beschäftigt waren, denen der junge Gianni mit Vorliebe über die Schultern sah. Dennoch interessierte er sich erst für Architektur, bevor er 1972, mit 26 Jahren, in Italiens Modemetropole Mailand ging, um dort für verschiedene Designer, darunter auch der berühmte Mario Valentino, zu arbeiten. Schon sechs Jahre später hatte er genug vom Angestelltendasein und gründete eine eigene Firma, die er schnell zum Familienunternehmen ausbaute. Schwester Donatella wurde seine Muse und half bei den kreativen Designs. Bruder Santo hatte von Anfang an die finanzielle Seite im Griff und wurde später auch Geschäftsführer.
„Ich glaube nicht an guten Geschmack“
Gianni eröffnet unter seinem Namen 1972 eine Mailänder Boutique, doch wirklichen Erfolg hatte er erst mit den Designs für Arbeitgeber „Genny“. „Byblos“ wurde zu einer, von der antiken Ästhetik beeinflussten Jugend-Linie und mit „Complice“ zeigte er auch seine avantgardistische Experimentierlust. Schnell wurde er mit diesem wilden Mix zu einer Sensation in der internationalen Modeszene. In seinen Entwürfen verwendete er lebendige Farben, kräftige Drucke und sexy Schnitte und machte sie so zum Inbegriff mediterranen Lebensgefühle. Alles an Versace sieht nach Sonne, Sex und schwülen Sommernächten aus. Bunt, verspielt und schrill mit ungewöhnlichen Kombinationen aus Seide und Crêpe, Jute und Leder sowie dem bis dahin der Haute Couture verpönten Jeansstoff. Sein Credo war eines gegen die Maßschneiderei in der Londoner Savile Row: „Ich glaube nicht an guten Geschmack“ sagt er mehr als einmal. Und mit Stolz, den ehernen Regeln der Mode zu trotzen: „Ich mag den menschlichen Körper und ich mag es, alles zu erschaffen, was ihn berühren könnte.“ Dabei machte er auch Männer zu Sexobjekten und schaffte ihnen Mode, die eher von seinen Erfahrungen in der Schneiderei für Frauen inspiriert war.
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Prominenz sitzt bei Versace erste Reihe
Seine Ästhetik kombinierte luxuriösen Klassizismus mit offener Sexualität. Versace war stolz auf sein süditalienisches Erbe und versah seine Entwürfe mit Motiven, die von historischer Mode und dabei insbesondere von der griechisch-römischen Kunst beeinflusst waren. Aber er hatte auch eine besondere Vorliebe für die Popkultur und dabei vor allem für den Maler Roy Lichtenstein und den Popart-Künstler Andy Warhol. Und dann war da noch die Schwäche für hochkarätige Prominenz. Gianna Versace war Ende der 1980er Jahre einer der ersten Modedesigner, der internationale Musik- oder Schauspielstars nicht nur als Freunde hatte, sondern sie in ihren Modenschauen auch in der ersten Reihe platzierte. Madonna und Elton John wurden Dauergäste. Prinzessin Diana wurde ebenso zur Versace-Muse wie Liz Hurley. Als die 1994 zur Premiere von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ an der Seite ihres Freundes Hugh Grant in einem schwarzen, von mondänen, goldenen Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen Versace-Kleid auftauchte, wurde nicht nur ihr Fummel sondern auch sie selbst zur Sensation.
Mode infiltriert die Pop-Musik – und nicht umgekehrt
Zu diesem Zeitpunkt war Gianni Versace selbst an der Spitze des Mode-Olymps bereits angekommen und hatte gleich eine ganze Schar von internationalen Schönheiten mitgenommen. Denn 1990 war nicht nur das Jahr politischer Umwälzungen, sondern auch das Geburtsjahr der sogenannten „Supermodels“. Erst erschien ein vom deutschen Fotografen Peter Lindbergh produziertes Cover auf der englischen Vogue, auf dem in Schwarz-Weiß die Models Linda Evangelista, Christy Turlington, Tatjana Patitz, Cindy Crawford und Naomi Campbell zu sehen waren. Dann verlangte George Michael exakt dieselben Models für das Musikvideo zu seiner Single „Freedom! ’90“, woraufhin Versace seine Herbstkollektion 1991 nach dem Song des Engländers benannte und seine Models, zu denen mittlerweile auch Carla Bruni, Claudia Schiffer und Stefanie Seymour zählt, den Song lippensynchron mitsingen. „Wenn ich den einen Supermodel-Moment benenne müsste, würde ich sagen, dass es diese Versace-Show war“ sagte Cindy Crawford später einmal darüber. „Es fühlte sich an diesem Tag so an, als hätten sich die Sterne nach uns ausgerichtet.“
Versace hatte eins deutlich gemacht: Dass Mode die Popkultur durch das Musikvideo „Freedom! ’90“ infiltriert hatte und nicht umgekehrt. Die unglaubliche Kraft dieser Super-Frauen schien zu diesem Zeitpunkt so unausweichlich, dass Versace deren Aura benutzte, um einen ganzen Lifestyle darum zu gruppieren. Dank der leicht erkennbaren Stile von Versace und der Vielzahl von charismatisch in Szene gesetzten Modellen wurden zeitlose Bilder geschaffen, die bis heute den Eindruck vermitteln, dass die ersten Jahre der 1990er eine riesige endlose und vor allem stilvolle Party gewesen sein müssen.
Kostüme für Opern und Michael Jackson
Dabei war Gianni Versace nicht nur ein Spezialist für Popkulturm sondern vor allem während seiner ganzen Karriere auch ein produktiver Kostümdesigner für Bühnenproduktionen, TV-Serien und Kino-Filme. Legendär war sein Sinn für Dekorationen, bei denen er sich seines unvergleichlichen enzyklopädischen Wissens über die Modegeschichte bediente. Er entwarf die Kostüme für fünf Béjart-Ballettproduktionen: Dionysos (1984), Leda und der Schwan (1987), Malraux ou la Métamorphoses des Dieux (1986), Chaka Zulu (1989) und das Ballet du XXme Siècle (1990). Schon 1983 hatte er Michael Jackson und Paul McCartney für deren Video zum Duett „Say Say Say“ eingekleidet. 1989 war er für den Stil in ein paar späteren Folgen von „Miami Vice“ zuständig gewesen und auch die Filme Kika von Pedro Almodovar (1993), Showgirls (1995) und Jugde Dredd (1995) verdanken Kostüme und Teile des Set-Designs dem italienischen Modemacher.
Ein Mord beendet die Versace-Ära abrupt
Mitte der 1990er Jahre war die Marke Versace auf ihrem absoluten Höhepunkt angelangt. Gianni entwarf zusammen mit seiner ebenfalls einflussreichen Schwester Donatella Handtaschen, Parfüms, Möbel und sogar Geschirr. Es gab weltweit über 130 Versace-Boutiquen und der Wert des Unternehmens wurde auf über 800 Millionen Dollar geschätzt. Doch dann passierte etwas, was die gesamte Szene in einen Schockzustand versetzte und die so leuchtenden 1990er Jahre, das wahrscheinlich glamouröseste Jahrzehnt der Modegeschichte, mit einem Schlag beendete. Am 15. Juli 1997 wurde Gianni Versace auf den Treppen seiner Villa in Miami erschossen. Er kam gerade von einem morgendlichen Spaziergang auf dem Ocean Drive zurück und lief seinem Mörder buchstäblich in die Arme.
Andrew Cunanan war eine Art Amokläufer, der zuvor vier weitere Männer ermordet hatte und acht Tage nach Versaces Mord auf einem Hausboot Selbstmord beging. Cunanan war innerhalb der Homosexuellen-Szene als Edel-Callboy bekannt und hatte immer wieder mit seiner angeblichen Bekanntschaft mit Gianni Versace geprahlt. Offenbar hatten sich beide in einem Nachtklub in San Francisco getroffen, aber selbst die ermittelnde Polizei gibt zu, dass es bis heute ein Rätsel bleibt, warum Gianni Versace ermordet wurde. Am Begräbnis für Versace im Mailänder Dom nahmen wenig später über 2.000 Menschen teil, darunter Prinzessin Diana, die nur einen Monat später selber bei einem Autounfall ums Leben kam.
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Vermächtnis
In den späten 1990er Jahren fing Versace an, seinen Ruf innerhalb der Jugend- und Popkultur zu verlieren. Doch heute beziehen sich wieder diverse Künstler auf seinen unvergleichlichen Stil, den vor allem Schwester Donatella fortleben lässt. Ob Migos, Bruno Mars oder M.I.A., sie alle preisen den Einfluss von Versace auf ihre eigenen Karrieren. Die neuen Supermodells Gigi Hadid, Bella Hadid, Kendall Jenner und Kaia Gerber sind alle in ihren Modenschauen für die italienische Marke gelaufen und auch Lady Gaga war das Gesicht der Marke und pflegt eine enge Freundschaft mit Donatella. Damit ist Versace einer jener Brands, die ihren Schöpfer überlebt haben und auch fast 25 Jahre nach seinem Tod keine Anzeichen eines Niedergangs aufweisen.
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin