In den 1950er und 1960er Jahren war es der Liebling der Massen, geschätzt für seine Unverwüstlichkeit und niedrigen Produktionskosten. Doch irgendwann war klar: Wenn Nylon einmal in der Welt ist, bekommt man es dort auch so schnell nicht wieder raus. Allein in Form von Mikroplastik gerät es nicht nur in den Wasser- und damit auch Niederschlagskreislauf sondern gerade über Meeresfrüchte und -tiere auch in unseren Körper.
2011 aber schaffte es ein italienisches Unternehmen, ein Verfahren zu entwickeln, wie Nylon komplett recycelt werden kann. Als Re-Nylon – oder Econyl, wie es eigentlich heißt – ist das Garn mittlerweile zum absoluten Liebling der großen Modehäuser aufgestiegen. Wir von CarlMarie wollen in diesem Artikel herausfinden, was es mit Econyl auf sich hat, warum es in noch nicht einmal zehn Jahren zum beliebtesten umweltfreundlichen Stoff aufgestiegen ist und ob es das, was es in ökologischer Hinsicht verspricht, auch hält.
Neben den Umweltschädigungen in der Herstellung ist es vor allem der jährlich wachsende Müllberg, der die weltweite Textilindustrie als einen der größten Umweltsünder brandmarkt. Und es sind vor allem die nicht natürlich abbaubaren – also die vollsynthetischen Garne –, die dabei das größte Problem darstellen. Während es für das weitaus häufiger eingesetzte Polyester immer noch kein chemisches Recycling im großen Maßstab gibt, ist man beim älteren Nylon aber schon einen großen Schritt weiter. Und das ist vor allem der italienischen Firma Aquafil zu verdanken.
2011 hatte Aquafil ein neuartiges Garn namens Nylon 6 auf den Markt gebracht, das aus alten Fischnetzen, Stoffresten und weggeworfenem Teppichschnitt hergestellt worden war und nun vor allem bei der Herstellung von Badeanzügen eingesetzt wurde. Schon bald machten die außergewöhnlichen Eigenschaften von Nylon 6 die Runde. Es sei besonders seidig in der Haptik, dünn aber dicht wie eine Wand und es säße am Körper wie eine zweite Haut. Doch das Beste: Im Gegensatz zu allen anderen künstlichen Textilstoffen wäre es besonders umweltfreundlich und hätte deshalb seinen Namen „Econyl“ vollkommen zu recht bekommen.
Prada will bis Ende 2021 komplett auf Econyl umstellen
Es war deshalb auch kaum ein Wunder, dass nun immer mehr Luxusmarken den Kontakt mit dem Recyclingunternehmen Aquafil suchten. Mittlerweile hat zum Beispiel Prada einen Großteil seiner Nylonprodukte durch Econyl ersetzt und plant sein gesamtes Nylon bis Ende 2021 auf das neue Material umzustellen. Econyl findet man in der Oberbekleidung von Gucci ebenso wie in den legendären Trenchcoats von Burberry. Wie stark Econyl mittlerweile in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt ist, zeigen Statistiken, die die Internet-Suchanfragen analysieren. Der Firma Lyst zufolge, hatte sich die Zahl der Suchanfragen zum Stichwort „Econyl“ seit Mitte Juni des vergangenen Jahres gegenüber 2018 mehr als verdoppelt. Und das beweist vor allem eins: Während es andere Fasern mit Nachhaltigkeitsanspruch gibt, ist Econyl wohl das momentan Öko-freundlichste Material der Wahl für Luxusmarken ebenso wie für Otto-Normalverbraucher.
Durch chemisches Recycling in seine Polymere zurückzerlegt
Designer und auch Zulieferer haben sich bei Nylon 6 oder Econyl für einen Stoff entschieden, der die physischen Eigenschaften von traditionellem Nylon besitzt, aber zu 100 Prozent recycelt ist und darüber hinaus bezüglich der Produktionsprozesse absolute Transparenz garantiert. Aquafils Ansatz ist es, dass Econyl immer wieder recycelt werden kann. Während des chemischen Verfahrens werden Nylon-Abfälle in ihre Kerneinheiten oder Polymere zerlegt und danach wieder zu Nylon zusammengesetzt. Beim vorher üblichen Recycling wurde und wird der Kunststoff einfach auf mechanischem Weg zu einem Rohstoff zurückverwandelt. Dabei verschlechtert sich das Material jedoch mit jeder Generation. Beim auf chemischem Weg hergestellten Econyl hingegen bleiben die positiven Nylon-Eigenschaften auch nach dem x-ten Recyceln stabil. Und es gibt noch einen Vorteil: Vergleicht man den CO2-Ausstoß bei der traditionellen Menge Nylon mit der Herstellung einer gleichen Menge Econyl, dann ist der Kohlendioxid-Fußabtritt des neuen Materials nur halb so groß. „Man kann mechanisches Recycling nicht unendlich oft durchführen. Irgendwann ist das Material so verschlissen, dass es doch entsorgt werden muss“, beschreibt zum Beispiel Richard Blackburn, Leiter der Forschungsgruppe für nachhaltige Materialien an der University of Leeds die Vorteile von Econyl. „Bei chemischen Recycling-Verfahren gibt es diese Verschleißgrenze nicht. Ich wünschte, wir hätten ein solches Verfahren auch für Polyester.“
Maßgeschneidertes Super-Nylon
Und noch einen gewaltigen Vorteil hat Econyl: Es macht Nylon nicht nur zu einem unendlich oft recycelbaren Kunstgarn, sondern schafft es auch, dass es nach seiner Zerlegung quasi für Kunden maßgeschneidert wiederproduziert werden kann. „Econyl ist ein System, kein einzelnes Produkt“, sagt Giulio Bonazzi, Geschäftsführer von Aquafil. „Die Kunden lassen uns wissen, wo sie ihr Nylon normalerweise kaufen, und wir senden das Garn an diese Stofflieferanten. Nachdem das Nylon dann in seine Grundbausteine zerlegt ist, kann das Material nach den von einer Bekleidungsmarke gewünschten Spezifikationen wiederhergestellt werden. Schon vorher hatte es immer wieder Ersatzprodukte für Nylon gegeben, aber diese hatten ganz augenscheinlich eine deutlich geringere Qualität. „Wir brauchen Materialien von höchster Qualität, und Econyl funktioniert einfach mal genauso gut wie herkömmliches Nylon“, sagt Cecilia Takayama, Direktorin des Materials Innovation Lab bei „Kering“, der ersten Luxusmarke, die Econyl in ihre Produktlinien integriert hat.
Ein bisschen teurer als normales Nylon – aber nicht unerschwinglich
Die Grundkosten von Econyl sind höher als bei original hergestelltem Nylon. Allerdings gehen die Mehrkosten dabei nicht unbedingt durch die Decke. Prada zum Beispiel gibt etwa 15 bis 20 Prozent mehr pro Laufmeter aus als bei herkömmlichem Nylon. Die zusätzlichen Kosten hängen damit zusammen, dass bei Econyl erst eine Depolymerisierung alter Nylonstoffe stattfinden muss, bevor durch erneute Polymerisierung ein neues Garn entstehen kann. Dabei muss eine Marke – bevor sie Econyl in ihre Lieferkette integriert – diesen Stoff genauso vielen Tests unterziehen wie auch andere Materialien. Für Kering bedeutet das zum Beispiel, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Firmen, die Econyl-Garn in Textilstoff verwandeln, notwendig ist. Lieferanten müssen außerdem die roduktion getrennt halten, um sicherzustellen, dass Econyl nicht in herkömmliches Nylon eingemischt oder sogar mit diesem verwechselt wird.
Parley, Tencel und nuCycl
Econyl ist zwar gerade eine Art Star unter den neuen umweltfreundlichen Materialien, aber bei weitem nicht das einzige Produkt, welches gerade dabei ist, den Markt zu erobern. Vor allem die großen international bekannten Marken stehen unter strenger Observation einer jungen Konsumentengeneration und müssen sich hinsichtlich ihrer ökologischen Glaubhaftigkeit einiges einfallen lassen. So ist Adidas beispielsweise ein bekannter Benutzer von Parley, einem Polyestergewebe, das aus Meeresabfällen und recycelten Plastikflaschen hergestellt wird. Tencel, eine biologisch abbaubare Faser aus Zellstoff, taucht in Aktivkleidung auf, und die Firma Evrnu hat gerade NuCycl herausgebracht, eine Faser aus recycelter Baumwolle, die Stella McCartney in Zusammenarbeit mit Adidas versucht, auf dem Markt zu positionieren.
Transparenz und vollständige Rückverfolgbarkeit der Lieferkette
Es ist aber vor allem die vollständige Transparenz der Herstellungsprozesse, die Econyl von allen anderen Öko-Materialien noch immer klar unterscheidet. „Es gibt viele Behauptungen über recyceltes Nylon als Material“, sagt dazu Laura Ysabel Culligan, Innovationsdirektorin bei Burberry. „Was Econyl aber in jedem Fall und ohne Zweifel von Anfang an zur Verfügung stellte, war die vollständige Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferkette.“ Laut Fashion for Good, einer Branchenkooperation, die nachhaltige Innovationen fördert, leistet Econyl dabei besonders gute Arbeit beim Sammeln von Materialien und bei der verantwortungsvollen Herstellung des Rohstoffs. „Wenn Sie Fischernetze verwenden, arbeiten Sie mit lokalen Gemeinden zusammen, um sicherzustellen, dass dies auch für diese von Vorteil ist. Aquafil ist dabei besonders gut“, sagt Georgia Parker, Managerin für Materialinnovation. So schickte Prada erst kürzlich ein Team nach Kamerun, um herauszufinden, in welcher Weise die Bewohner am Ossasee ihren Lebensunterhalt verdienen können, indem sie alte Fischernetze einsammeln.
Keine Lösung für das Problem von Mikroplastik
Kunden und Recyclinganlagen mögen den transparenten Ansatz von Econyl, aber die Auswirkungen des Materials auf die Verschmutzung der Umwelt durch Mikroplastik sind nach wie vor unklar. Denn Econyl ist zwar in seiner Herstellung ein umweltfreundliches Recyclingprodukt, bleibt aber ein synthetischer Stoff. Und wenn synthetische Kleidung gewaschen wird, zerfallen ihre Mikroplastikfasern und werfen winzige Fragmente zuerst von der Waschmaschine in den Wasserkreislauf, also in Flüssen und Ozeane, und danach über Regen und Schnee sogar in die Berge. Deshalb sind Forscher mehr und mehr besorgt über die globalen Auswirkungen der winzigen Kunststoffe auf das Leben im Wasser und die menschliche Gesundheit. Und es ist noch nicht klar, ob oder inwieweit Econyl zu diesem Problem beiträgt.
Laut Giulio Bonazzi ist dieses Problem bei Econyl allerdings nicht sehr groß. „Die Struktur von Econyl besteht aus langen, durchgehenden Filamenten und nicht aus kürzeren Fasergarnen“ so der Geschäftsführer bei Aquafil. Trotzdem arbeite sein Unternehmen mit einer italienischen Forschungseinrichtung zusammen, um eine Methode zur Messung von Mikrofasern zu entwickeln, die von Kleidungsstücken in Wasser freigesetzt werden. „Wir wollen sicherstellen, dass das, was wir tun, richtig ist.“ Denn Econyl wird bis jetzt von all seinen Kunden vor allem auch für seine besonders hohe Rückverfolgbarkeit geschätzt. Informationen über seine Beschaffungs- und Produktionsprozesse sind jederzeit und vollumfänglich öffentlich verfügbar. Und das ist für den Recyclingprozess von entscheidender Bedeutung, da Econyl zum Zeitpunkt des Endprodukts nicht mehr von jedem anderen Nylon zu unterscheiden ist.
Econyl bei CarlMarie
Econyl ist natürlich auch längst in unserem Sortiment von CarlMarie angekommen. Die Firma Rosa Faia hat mit dem sportiven Einteiler Frida „Eco Rosa“ und dem Badeanzug „Alison“ nicht nur optische Highlights gesetzt, sondern leistet damit auch einen Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt. Produziert aus hochwertigem Econyl, überzeugen diese Badeanzüge außerdem mit einer extrem guten Beständigkeit gegenüber Chlor und Meerwasser. Selbst die Verpackung des Einteilers ist kompostierbar und löst sich im Meerwasser auf.
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin