BAMBUS – wirklich so nachhaltig und umweltfreundlich?
Wie schon mehrfach beschrieben, gibt es gute und nachvollziehbare Gründe, Bambus als einen besonders nachhaltigen und ökologisch wertvollen Rohstoff zu betrachten. Allerdings kann auch nicht verleugnet werden, dass bei Bambus-Produkten ein sogenanntes Green-Washing betrieben wird. Davon ist immer dann die Rede, wenn Hersteller die ökologischen Vorteile eines Materials oder einer Anbau- oder Verarbeitungsmethode preisen, dabei aber verschweigen, dass sich unter der Oberfläche doch wieder gewaltige Sünden gegen das Gleichgewicht der Natur verbergen. Die Frage, welcher wir hier nachgehen wollen, ist also, ob die ethischen Grundsätze, mit denen Bambus oft in Verbindung gebracht wird, wirklich wasserdicht sind.
PRO BAMBUS – kaum Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden
Bambus wird häufig als das erneuerbarste Material der Welt bezeichnet. Es ist von Natur aus schädlingsresistent, wächst unglaublich schnell und kann tatsächlich zum Wiederaufbau von erodiertem Boden beitragen. Es dauert nur drei oder vier Jahre, um von der Aussaat bis zur Ernte zu gelangen. Da das Wurzelnetzwerk so groß ist, muss Bambus nicht einmal umgepflanzt werden. Er schießt einfach wieder hoch, wenn er abgesägt ist. Bambus kann daher ohne chemische Düngemittel oder Pestizide angebaut werden.
KONTRA BAMBUS – in China gibt es kaum festgelegte Umweltrichtlinien
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Leider heißt das nicht, dass es immer so ist. Denn das nach wie vor einzige Land, in dem Bambus im kommerziellen Maßstab angebaut wird, ist China. Und weil er in der Welt immer populärer wird, beginnen die Bauern ihn als Monokultur anzubauen. Das verringert nachweislich zunächst einmal die Artenvielfalt und kann zu einer Zunahme von Schädlingen führen. Dies wiederum bedeutet, dass der Einsatz von Pestiziden am Ende vielleicht doch notwendig wird. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass chinesische Landwirte chemische Düngemittel verwenden, um ihre Bambus-Erträge zu steigern. Es gibt auch keinen Grund, warum sie es nicht tun sollten, denn in China gibt es nach wie vor keine festgelegten Standards oder Umweltrichtlinien für den Anbau von Bambus. In China wird jetzt sogar damit begonnen, natürliche Wälder zu roden, um mehr Bambus anbauen zu können.
PRO BAMBUS – es gibt auch für Bambustextilien längst Öko-Tex-Standards
Bis wir wirklich ausschließlich Bambus-Textilien wie Kleidung, Handtücher und Bettwäsche haben, die von der Landwirtschaft bis zur Herstellung als biologisch zertifiziert werden können, gibt es zumindest die Möglichkeiten, sich auf die Reinheit des Endprodukts zu verlassen. Eine Möglichkeit besteht darin, das fertige Produkt nach dem Öko-Tex Standard 100 zertifizieren zu lassen. Dies ist gekennzeichnet als: „Vertrauen in Textilien. Auf Schadstoffe geprüft nach Öko-Tex Standard 100.“ Die Kriterienliste enthält über 100 Prüfparameter für Schadstoffe. Damit kann sichergestellt werden, dass die Bambus-Textilien selbst nicht gesundheitsschädlich sind.
KONTRA BAMBUS – die Verarbeitung zum Garn ist der eigentlich heikle Teil
Es gibt zwei grundlegende Möglichkeiten, Bambus zu verarbeiten, um die Pflanzenfasern letztlich zu einem Garn und dann in ein Textil umwandeln zu können. Die eine Methode ist rein mechanisch und gilt ökologisch als nahezu unbedenklich. Die andere Methode ist chemisch und steht aufgrund der verwendeten Substanzen immer wieder in der Kritik vom Umweltschützern.
Bei der mechanischen Methode wird der Bambus gehäckselt und zerkleinert und dann mittels natürlicher Enzyme zu einer Art „Brei“ verarbeitet. Die übrigbleibenden Naturfasern überstehen diesen Prozess, sind sehr robust und werden später mechanisch aus dem Brei herausgekämmt und zu Garn versponnen. Bei einem anderen mechanischen Verfahren werden die holzigen Bestandteile des Bambus zu einem Pulver zermahlen und dann mit Wasser vermischt. Diese klebrige Substanz wird dann durch Düsen gedrückt und zu Fäden versponnen. Beide mechanischen Verfahren sind arbeitsintensiver und kostenintensiver als das chemische Verfahren, weshalb sie nicht sehr häufig eingesetzt werden.
Den chemischen Prozess haben wir von CARLMARIE in unserem Mehrteiler über die Herstellung und Verwendung von Viskose beschrieben.
Um hochwertiges Bambusgewebe herzustellen, muss nach wie vor ein Verfahren angewendet werden, bei dem Natriumhydroxid, auch Ätznatron genannt, verwendet wird. Zerkleinerter Bambus wird in der Chemikalie eingeweicht, um Zellulose zu produzieren. Es gibt Bedenken, dass Natriumhydroxid eine gesundheitsschädigende Chemikalie ist. Andere Untersuchungen haben allerdings auch ergeben, dass ihre industrielle Verwendung keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Arbeitnehmer hat. Natriumhydroxid wird auch bei der Verarbeitung von Bio-Baumwolle zu Ballaststoffen verwendet und ist von den Global Organic Textile Standards (GOTS) und der Soil Association zugelassen. Zwar bleiben auf Bambustextilien keinerlei Rückstände der verwendeten Chemikalien, aber die Ableitung dieser in den Wasserkreislauf um die Herstellungsstätten wird von Umwelt-Experten immer wieder scharf kritisiert.
PRO BAMBUS – das Lyocell-Verfahren von Tencel®
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die gute Nachricht ist, dass in einigen Betrieben umweltfreundlichere Technologien zur chemischen Herstellung von Bambusfasern eingesetzt werden. Das etwa zur Herstellung von Lyocell aus Holzcellulose verwendete Verfahren lässt sich auch ohne Probleme für Bambus verwenden. Lyocell ist ein umweltfreundlicher chemischer Prozess, der unter anderem unter dem Markennamen Tencel® realisiert wird. Beim Lyocell-Verfahren werden nachweislich 99,5 Prozent der verwendeten Chemikalien wieder aufgefangen und zur erneuten Verwendung recycelt. Es gibt keinen Grund, warum das Lyocell-Verfahren nicht verwendet werden kann, um auch Bambus in eine Textil-Faser umzuwandeln. Das einzige Hindernis sind die Kosten für die Errichtung der entsprechenden Fabriken. Ein wichtiger Gesichtspunkt in der Diskussion um die Nachhaltigkeit von Bambus ist, dass die momentanen Herstellungsprozesse möglicherweise noch nicht auf dem Standard sind, wo sie eigentlich sein sollten. Aber der gesamte Herstellungsprozess von Bambusfasern ist in der Regel immer noch besser, als der der meisten synthetischen Fasern oder zum Beispiel auch bei Baumwolle.
KONTRA BAMBUS – viele Pro-Argumente treffen auch auf andere Fasern zu
Viele Unternehmen, die Bambusfasern verwenden, geben an, dass sie Bambus aus biologischem Anbau herstellen und dabei keine schädlichen Bleichmittel verwenden. Dafür scheint es allerdings immer noch keine belastbaren Beweise zu geben. Die britische Soil Assocation, die sich für den organischen Anbau von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen einsetzt und zum Beispiel auch das renommierte Organic-Standard-Siegel verleiht, erteilt momentan keine Zertifizierung für Textilien aus Bambus. Sprecherin Sarah Compson erklärte kürzlich dazu: „Bambus-Anbau und Bambus-Ernte könnten wir wohl in den meisten Fällen zertifizieren. Das Problem ist die Verarbeitung. Der Prozess, der erforderlich ist, um den Bambus zu zerlegen, um die Fasern herzustellen, ist sehr ähnlich wie bei der Herstellung von Viskose, und wir haben noch keine Methode gefunden, die unseren Produktionsstandards entsprechen würde.“
Auch anderen Pro-Argumente für Bambus erteilt Sarah Compson eine Absage: „Es wird immer wieder gesagt, Bambus würde so schnell nachwachsen. Doch genau das tut Baumwolle auch.“ Auch die Behauptung, Bambus sei ein „einzigartiges Anti-UV-Material“ ist offenbar ein wenig absurd, denn ausnahmslos jedes dicht gewebte Tuch schützt die Haut vor UV-Licht.
PRO BAMBUS – es spart Energie und Wasser
Da für Bambustextilien wie Socken, Strümpfe, Bettwäsche oder Tischtücher keine Weichspüler erforderlich sind, können gewerbliche Anwender zusätzliche Einsparungen erzielen. Bambus-Textilien müssen einfach nicht so oft gewaschen werden. So können in Hotels, Pensionen oder anderen gastronomischen Einrichtungen Wasser, Energie und Arbeitskräfte gespart werden. Das Waschmittelabwasser, das die Wasseraufbereitungsanlagen durchläuft, wird ebenfalls weniger belastet. All dies sollte zu einer längeren Lebensdauer von Bettwäsche und Handtüchern führen, um auch die Wiederbeschaffungskosten zu senken.
KONTRA BAMBUS – Bambus muss seine Nachhaltigkeit immer öfter beweisen
Als Reaktion auf die allgemeinen Lobeshymnen auf Bambus als Super-Champion der Nachhaltigkeit haben sich in den vergangenen Jahren immer öfter verschiedene Institutionen ein bisschen näher mit dem Material beschäftigt. So hat sich sowohl das kanadische Wettbewerbsbüro als auch die Federal Trade Commission der Vereinigten Staaten mit der Frage der genauen Kennzeichnung von Textilien aus Bambus befasst. In Kanada hat dies zu Richtlinien geführt, die vorschreiben, dass alle bambushaltigen Textilien gemäß dem chemischen Prozess, in dem sie hergestellt werden, gekennzeichnet werden müssen. Zum Beispiel „Viskose aus Bambus“ im Gegensatz zu einfach „Bambus“. Darüber hinaus müssen Prädikate wie „natürlich antimikrobiell“ oder „biologisch abbaubar“ durch angemessene Tests belegt werden.
Viele Fabriken, die Bambusbekleidung herstellen, erhalten mittlerweile allerdings die begehrten Öko-Zertifikate, die ihre Praktiken und Produkte bestätigen. Eine Produktzertifizierung ist zum Beispiel der weit verbreitete Öko-Tex-Standard 100. ÖkoTex soll nachweisen, dass die fertige Faser keine schädlichen Chemikalien enthält. Diese Norm untersucht jedoch nur das Endprodukt und berücksichtigt nicht die Verwendung von Chemikalien während der Verarbeitung der Faser. Dieses Zertifikat haben mittlerweile zahlreiche Anbieter von Bambus-Textilien. Das andere sind Fabrik- Zertifizierungen, zum Beispiel ISO 14001, die zeigen, dass die Fabrik ein Umweltmanagementsystem eingeführt hat, um ihre Praktiken umweltfreundlicher zu gestalten. Oder das SA 8000-Programm, das soziale (aber keine ökologischen) Verantwortlichkeitsstandards festlegt.
FAZIT:
Insgesamt sind die positiven Eigenschaften von Bambus unbestreitbar. Die Pflanze und ihre Fasern könnten in der ökologisch einwandfreien Textil-Produktion in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Allerdings sollten beim Bambus vor allem die Produktionsprozesse im Auge behalten werden, damit diese sowohl transparenter als auch umweltfreundlicher werden.
Inhaltsverzeichnis
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin