Wie wird Baumwolle verarbeitet?
Nach der Ernte werden Samen und Fasern etwa einen Monat lang getrocknet. Und dürfen nachreifen. Anschließend werden die Fäden vom Samen getrennt. Früher geschah das per Hand, was viele Jahrhunderte verhinderte, dass Baumwolle im großen Stil verarbeitet wurde. Es war einfach zu aufwendig und damit zu teuer. Selbst der Einsatz Tausender Sklaven etwa in den USA reichte nicht aus, um den Baumwollanbau rentabel zu gestalten. Das änderte sich erst mit Beginn der industriellen Revolution – und der Erfindung von „Cotton Gin“ 1793, einer sog. Engreniermaschine, mit der Korn und Faden maschinell getrennt werden konnten.
Auch heute noch wird die Wolle vom Samen auf die gleiche Weise geschieden. Eine Maschine kämmt aus dem Fadenknäuel die Samenkörner, den kurzhaarigen Flaum (Linters), Reste der holzigen Fruchtkapsel und Blattrückstände.
Schließlich wird der verbliebene Lint in einer Natronlauge gewaschen. Die Fasern sind nämlich von einer dünnen Wachsschicht umhüllt, die erst entfernt werden muss, um die hohe Saugfähigkeit der Baumwolle zu erreichen. Anschließend wird die Pflanzenwolle zu Ballen gepresst und an eine Spinnerei verschickt. Der Rohertrag auf 100 kg Baumwollmasse liegt bei 35 kg. Über 60 kg entfallen an Samenkörnern, der Rest besteht aus nicht verwertbarem Abfall.
Wie funktioniert eine Spinnmaschine?
Wie entsteht aus einer Stapelfaser ein Garn? Das ist eine der zentralen Fragen im Verarbeitungsprozess aller Faserarten. Also auch der Baumwolle. Die Antwort gibt das Spinnen. So wird die Prozedur bezeichnet, bei der aus der Faser Vlies und aus dem Vlies Garn und aus dem Garn, falls gewünscht, ein Zwirn wird.
Dafür sind ungefähr sechs Schritte vonnöten:
1. Der Ballen wird von einer Maschine zerpflückt und die Faserklumpen gelöst.
2. In einem zweiten Schritt wird die Rohfaser noch einmal gewaschen und gereinigt.
3. In einer Mischkammer wird das Fasergut entweder „vergleichmäßigt“ oder mit anderen Fasern (etwa Polyester) gemischt.
4. Jetzt werden die Fasern gekämmt bzw. gestriegelt, parallel nebeneinander gelegt und zu Bändern oder Strängen zusammengedrückt. Dem Vlies. Diesen Vorgang nennt man kardieren.
5. Anschließend werden mehrere Kardenbänder zusammengeführt und je nach Bedarf mehrfach gestreckt.
6. Erst danach beginnt das eigentliche Spinnen: das Zwirnen der Garne. Dabei werden die Vliesstränge gestreckt und miteinander verdreht. Bei Baumwolle funktioniert das übrigens besonders gut, denn ihre Fasern sind wie Korkenzieher gewunden. Das Garn wird auf Spulen gewickelt. Dieser Vorgang wird wiederholt. Es entsteht das Feingarn. Dieses wird danach auf einer Ringspinnmaschine zum Ringgarn. Als Ringgarne werden übrigens nur die Garne aus gekämmter Baumwolle bezeichnet.
Note bene: Oft werden Zwirn und Garn gleichgesetzt. Das ist aber nicht ganz zulässig. Ein Garn entsteht, in dem man Fasern ineinander verdreht. Und Zwirn? So heißt das Ergebnis, wenn man mehrere Garne zusammenfügt.
Weben, Stricken, Veredeln – wie wird aus einem Garn ein Stoff?
Bevor die Garne zu Zwirnen verdreht und anschließend zu Textilflächen verwebt oder verstrickt werden können, müssen sie noch durch eine Vorbehandlung. Sie werden geschlichtet. Darunter versteht man die Imprägnierung der Garne, um sie geschmeidiger und reißfester zu machen.
Erst danach geht es in die Weberei bzw. Strickerei. Mit beiden Prozessen werden die Garne zu Stoffen weiterverarbeitet. Der Unterschied ist die Art und Weise, wie man sie zu einer Fläche zusammenfügt. Beim Weben werden mindestens zwei Fäden, der Schuss und die Kette, rechtwinklig zueinander verkreuzt. Die sog. Kettfäden bilden den Träger des Stoffes. In diesen werden von einer Webkante zur anderen die Schussfäden „eingeschossen“. Beim Stricken hingegen werden ein oder mehrere Fäden miteinander „verstrickt“. Das heißt, es werden durch Fadenumschlingung Maschen gebildet, die aneinander gehangen werden.
Ist der Stoff fertig, wird er veredelt. Er wird gebleicht. Er wird gefärbt. Es wird aufgehellt und stabilisiert. Oder etwa für die leichtere Pflege mit formaldehydhaltigen Kunstharzen behandelt. Wir erinnern uns, Baumwolle läuft gern ein und knittert. Das Bleichen wiederum findet in einer Lösung aus Chlor oder Wasserstoffperoxyd statt, denn die Rohfarbe der Baumwolle ist nicht blütenweiß, sondern hat einen eher gelblichen Ton. Mit einem weißen Grundton aber kann man besser färben. Auch beim Färben und Aufhellen kommen Chemikalien zum Einsatz. Ebenso bei der Stabilisierung des Stoffes. Die wird erreicht durch die sog. Mercerisierung. Bei diesem Vorgang wird der Stoff in einer Lauge aus Natrium und Ammoniak gebadet.
Vom Garn zum T-Shirt – eine Weltreise
Die Globalisierung hat es mit sich gebracht, dass nicht mehr alle Anbau- und Verarbeitungsschritte von der Saat bis zur Unterwäsche-Produktion an einem Standort stattfinden. Sondern über die Erde verteilt. Ein Unterhemd kann leicht eine ganze Weltreise hinter sich haben. In etwa so:
Angebaut wird die Baumwolle in den USA. Nehmen wir an in Texas. Von dort wird sie nach San Francisco auf ein Containerschiff verladen und in die etwa 10.000 Kilometer weit entfernte Türkei gebracht. Dort wird aus dem Rohmaterial Garn gewonnen. Von der Türkei aus geht es ins 8.000 Kilometer entfernte Taiwan, wo das Garn zu Stoff versponnen und veredelt wird. Wieder geht unsere Baumwolle auf Reisen. Dieses Mal als Stoffballen nach China. Dort wird daraus ein Hemd geschneidert, das anschließend nach Deutschland gebracht wird, wo es uns zum Kauf angeboten wird.
Dieser Artikel ist Teil II von IV zum Thema Baumwolle.
Hier geht es zu Baumwolle III – Umweltprobleme und Auswege.
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin