Flanell hat in den vergangenen 150 Jahren die Welt erobert. Seine Popularität überschreitet sowohl die Grenzen von sozialen Milieus wie Geschlechtern und scheint nie zu stagnieren. Wir von CarlMarie werfen einen Blick zurück darauf, wie sich dieses zeitlose Modephänomen im Laufe der Jahre entwickelt hat – und warum es auch in Zukunft kaum verschwinden wird.
Ein einziger Zweck: Wärme
Bevor Kurt Cobain und Eddie Vedder dafür sorgten, dass sich eine ganze Generation die Holzfällerhemden um die Hüfte knotete, war Flanell nur für einen praktischen Zweck gedacht: zu wärmen und vor Nässe zu schützen. Nicht umsonst gilt Wales als das Ursprungsland dieses Materials. Denn dort ist es fast immer windig und regnerisch und so musste ein Material her, welches die Eigenschaften von Schafwolle (nämlich besonders wasser- und geruchsabweisend sowie wärmend zu sein) noch verstärkte. Dafür wurde ein Garn aus langen, feinen Schafwollfasern hergestellt, das zu einem dichteren Garn versponnen und dann zu einem äußerst robusten Stoff gewebt wurde. Das Kammgarn wurde dabei beidseitig genäht und die Enden aufgeschnitten, so dass die Oberfläche eine haarige Textur – den besonderen Touch von Flanell – erhielt. Genau diese Oberfläche erhöht den Wärmeschutz und den Feuchtigkeitstransport, weil sie noch mehr Luft einschließen kann als normale Schafwolle.
Mehr als nur ein Muster
Weil auch die Schotten schon mit einer Art Flanell experimentierten und dieses mit dem berühmte Tartan, den typisch schottischen Webmustern, versahen, wurde auch Flanell schnell mit diversen Formen von Karos assoziiert. Heute denken viele, dass Flanell die Bezeichnung dieser Musterung ist. Doch der Name steht in Wirklichkeit für das Material, aus dem auch Anzüge, Unterwäsche und kuschelweiches Bettzeug gefertigt werden. Es ist übrigens völlig unklar, wer diesem Stoff aus welchem Grund ausgerechnet diesen Namen gab. Fakt ist aber: die Franzosen nennen ihn Flanelle und die Briten Flannel.
Das Flanellhemd erobert die USA
Aufgrund seiner Langlebigkeit, Erschwinglichkeit und Wärme wurde Flanell schnell über die europäischen Grenzen verbreitet. Wollfabriken entstanden in ganz England und Frankreich und im 19. Jahrhundert blühte die Produktion dank eines effizienteren mechanischen Kardierprozesses richtig auf. Gerade rechtzeitig für die sich beschleunigende Industrialisierung. In den USA wurde der Ausbau des landesweiten Eisenbahnnetzes mit voller Geschwindigkeit vorangetrieben und das 1868 erstmals in der neuen Welt aufgetauchte Textil war dabei mehr als willkommen.
Extreme Wetter- und Arbeitsbedingungen machten die robusten, überaus wärmenden und Nässe abweisenden Hemden mit den schottischen Karos schnell landesweit populär. Auch ein weiterer Flanell-Klassiker, die langen Unterhosen (auf englisch nur „Long Johns“ genannt), machten in dieser Ära erstmals Karriere. Unter den ersten, die den neuen Trend mit immer neuen Produkten beförderten, war der amerikanische Unternehmer Hamilton Carhartt, der 1889 eine Fabrik in Detroit eröffnete. Der Name Carhartt steht übrigens bis heute bei der Rockerjugend für äußerst robuste, etwas unbequeme, dafür superlässige Industrial-Mode.
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Von Paul Bunyan zur Feldjacke Parsons M1941
Die Industrialisierung brachte der US-amerikanischen Bevölkerung Anfang des 20. Jahrhunderts unvergleichlichen Wohlstand und dem Land eine führende Rolle im weltweiten Kräftemessen. Das Flanellhemd wurde dabei schnell zu einem Symbol des abgehärteten, entschlossenen und tatkräftigen Bauarbeiters und Holzfällers. Populär wurden nun mystische Erzählungen von sogenannten „Big Men“. Der populärste von ihnen war zweifellos Paul Bunyan und sein braver blauer Ochse „Babe“.
Paul Bunyan trug stets ein schwarz, rotes Holzfällerhemd, wenn er seine Heldentaten vollbrachte und machte dieses Textil – transportiert vor allem über illustrierte Kurzgeschichten in Zeitungen und Zeitschriften – zu einem ikonischen Kleidungsstück des frühen 20. Jahrhunderts. Flanell kam später, während des Ersten Weltkriegs, als Unterwäsche zum Einsatz und als amerikanische Soldaten 1942 in den großen Weltenbrand eingriffen, trugen sie immer noch Flanell, unter anderem im warmen Futter der berühmten Feldjacke Parsons M1941.
Gregory Peck im Flanellanzug & Marilyn Monroe im Holzfällerhemd
Nach dem Krieg bewies Flanell, dass es nicht nur für Unterhemden, Arbeitskleidung und Bettwäsche geeignet war. Der Anspruch wurde ein paar Zentimeter nach oben verlegt und so entwickelte sich der Stoff in den 1950er Jahren zum Standard für Geschäftsleute, die sich nun mit Vorliebe in grauen Flanellanzügen zeigten. Die neue Mode war so erfolgreich, dass sie titelgebend für den Roman „Der Mann im grauen Flanell“ wurde. In diesem Bestseller aus dem Jahr 1955 von Sloan Wilson wird ein Mann porträtiert, der sich durch die neue Geschäftswelt der Nachkriegszeit navigiert. Der große Erfolg veranlasste eine Verfilmung mit Gregory Peck, der damals eine wahre Stilikone seiner Zeit war und im Fox-Flanell die Herzen der Frauen verzückte.
Ebenfalls in den 1950er Jahren probierten die Damen ein erstes Cross-Dressing mit den Holzfällerhemden ihrer Männer und sahen darin ganz besonders sexy aus. Selbst Marilyn Monroe stibitzte ein Exemplar aus dem Kleiderschrank des anderen Geschlechts und sah darin ebenso umwerfend aus wie in einem glitzernden Abendkleid.
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Nirvana + Flanell = Grunge
Nachdem auch Sean Connery 1964 in „Goldfinger“ ein paar Flanell-Anzüge durchgebracht hatte, wurde es ruhiger um das trendige Material. Doch mit dem Song „Smells like Teen Spirit“ von Nirvana Anfang der 1990er Jahre war Flanell mit einem Schlag zurück. Angespornt von Bands wie Pearl Jam und Nirvana, die Flanellhemden als Markenzeichen ihres Anti-Establishment-Looks trugen, bekleideten karierte Flanellhemden die komplette Grunge-Bewegung und ließen die Verkaufszahlen des noch kurz vorher leicht vermotteten Holzfällerhemdes weltweit explodieren. Karierte Flanellhemden kehrten schließlich in den Fashion- Mainstream zurück und tauchten nicht nur auf den Skipisten sondern auch auf den Frontseiten der großen Hochglanzmagazine auf.
Flanell: auch gut für Hipster-Coolness
Mit dem Aufstieg der Hipster und ihrer Liebe zu traditionellen Stoffen wurde Flanell in der vergangenen Dekade auch wieder Ausdruck maximaler Coolness. Zusammen mit Strickmütze, dicken Brillen und Arbeiterstiefeln feiert das alte Textil gerade wieder eins seiner zahllosen Comebacks. Neben Schuhen, Taschen und zahllosen Bekleidungsgegenständen präsentieren Marken von Louis Vuitton, Valentino bis Maison Martin Margiela mittlerweile auch wieder graue Flanellanzüge, die sicherlich durch das Wiederaufleben der 1950er und des 60er-Jahre-Stils von TV-Serien wie Mad Men beeinflusst wurden.
Flanell steht heute auch für praktische Outdoor-Bekleidung. Das so typische Karomuster ist geblieben, nur sind die einst so robusten Hemden heute aus leichteren Baumwoll- und Synthetikstoffen. Flanell ist damit ein immer wieder neu geborenes Produkt zyklisch wiederkehrender Mode. Von seinen bescheidenen Anfängen auf walisischen Weiden, über die erste Hochzeit als Arbeitsbekleidung bis zur Konterkarierung amerikanischer Geschäftsethik ist es nach wie vor ein Symbol inspirierender Folklore. Und es wird sich in Ihrem Kleiderschrank länger frisch halten, als Sie möglicherweise annehmen.
Flanell, Fleece & Plaid – was ist der Unterschied?
Jetzt, wo es langsam kalt und windig draußen wird, fragen sich viele, mit welchen Textilien sie sich am besten wärmen. Beliebte Optionen sind Flanell, Fleece und Plaid. Was diese Stoffe voneinander unterscheidet, haben wir von CarlMarie für Sie zusammengetragen.
Fleece – der synthetische Warmhalter
Fleece ist mittlerweile aus kaum einem Haushalt mehr wegzudenken. Wenn es erst Herbst und später Winter wird, hat nahezu jeder ein Bekleidungsstück aus diesem Material parat. Doch was verbirgt sich hinter diesem Textil, dessen Name so sehr an ein schönes warmes Schaffell erinnert? Zunächst ist Fleece im Gegensatz zu Flanell und Plaid ein synthetischer Stoff. Er ist nicht gewoben, so dass es keine Fransen gibt, wenn er an einer Stelle angeschnitten wird. Das „Gewirk“ Fleece besteht also aus einem kreuzweise Verketten von Polyester-Garnen. Die Kunstgarne geben dem Fleece eine sehr typische, glatte Oberfläche. Weil beim Fleece die Garne umeinandergewickelt werden, entsteht ein überaus robuster (aber dehnbarer) und sowohl Wärme spendender als auch wetterfester Stoff.
Wenn es um den Unterschied zu Flanell geht, muss zunächst bemerkt werden, dass dieses Material heute nicht mehr oft aus richtiger Schafwolle, sondern aus Baumwolle oder auch halbsynthetischen Garnen gefertigt ist und deshalb viele seiner positiven Eigenschaften verloren hat. Es wärmt nicht mehr so gut und hält auch Schnee und Regen kaum noch Stand. Allerdings hat es einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zum „dicken“ Fleece ermöglicht Flanell eine gute Wärmeregulation. Es hält also, zumal wenn aus Schurwolle, im Winter recht warm und im Sommer ebenso kühl. Unter Flanell schwitzt man kaum und so lässt es sich eben das ganze Jahr über verwenden. Zusammengefasst: Fleece hält wärmer, reguliert die Wärme aber schlechter. Der Vorteil von Flanell: Es vermittelt stärker ein Gefühl von Gemütlichkeit, weil überschüssige Wärme viel leichter entweichen kann.
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Flanell vs. Plaid – die Vorteile der schottischen Wolldecke
Weil Flanell seinen Ursprung auch in der Fertigungsweise der schottischen Wolldecken mit dem typischen Tartanmuster hat, wird es häufiger mit dem sogenannten Plaid verwechselt. Bei Plaid handelt es sich um dünne, häufig gemusterte Decken, die über die Schulter, um die Hüften oder den Hals geworfen werden. Diese sind meist aus Schur- oder Alpakawolle gefertigt. Die „Schulterdecken“ sind neben dem Kilt die traditionelle Kleidung der Hochlandschotten.
Das Plaid wird parallel zur langen Kante mehrfach gefaltet, um den Oberkörper gewickelt und an der linken Schulter mit einer Brosche befestigt. Als Bestandteil ziviler Abendkleidung werden gelegentlich kleinere Plaids getragen, die nur an der Schulter befestigt sind und locker herabhängen.
Plaid und Flanell sind eigentlich zwei sehr unterschiedliche Stoffe, obwohl sie gern verwechselt werden. Flanell ist ein Textil, das typischerweise aus Wolle oder Baumwolle besteht und mit Metallbürsten berieben wird, um an der Oberfläche extra feine Fasern zu erzeugen. Diese sorgen für zusätzliche Wärme und Geschmeidigkeit. Dabei ist Flanell das Gewebe und Karo ist einfach nur das Muster.
Plaid ist feiner gewirkt und besitzt immer ein karoartiges Muster. Es wärmt nicht so gut, hat aber mehr Charakter. Viele Button-Down-Hemden, Schlafanzüge und dekorative Decken und Tücher sind aus Plaid, dafür ist Flanell deutlich besser für Bettwäsche geeignet.
freier Journalist für die Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung und das CarlMarie Magazin