Leder, Kunstleder und Lederimitat

Zwei braune Ledergürtel
©istock/MikhailMishchenko
Es gehört zu den frühesten Bekleidungsmaterialien der Zivilisationsgeschichte, und auch heute noch tragen oder benutzen es die meisten von uns - mitunter ohne es genau zu wissen: Leder.

Schon mal in den Kleider- oder Schuhschrank geschaut? Oder ins Wohnzimmer, ins Auto? Leder ist überall, ob in Form von Jacken, Hosen, Röcken, Schuhen. Wir tragen es am Arm oder um den Hals. Und wir sitzen darauf, auf Ledersofas, in Ledersesseln oder Ledersitzen.

Wie kommt das? Warum schwören die Menschen seit jeher auf ein Material, das aus Tierhaut gewonnen wird – oder wie in den vergangenen Jahren immer öfter aus Kunststoff. Wir von CarlMarie stellen es euch vor, erklären euch, woraus es besteht, wie es hergestellt wird, welche Tierhäute dafür verwendet werden – und warum es trotz seiner Beliebtheit ebenso scheel betrachtet wird. Denn wo Leder ist, stellt sich immer auch die Frage nach Tierwohl und Umweltfreundlichkeit. Sein synthetischer Bruder, das Kunstleder, ist deshalb nie weit weg.

Wusstest Du? Über die Hälfte des Leders wird heutzutage in der Schuhproduktion verarbeitet, weitere 25 Prozent für Bekleidung.

Bevor wir aber ins Detail gehen, lasst uns einen kleinen Blick in die Geschichte des Leders werfen.

Höhlenschuh aus Leder – eine kurze Geschichte des Leders

Leder ist eine der frühesten und nützlichsten Entdeckungen des Menschen. Unsere Vorfahren verwendeten Leder, um sich gegen das Wetter zu schützen. Sie jagten wilde Tiere auf der Suche nach Nahrung, und was sie nicht verspeisen konnten, das verwendeten sie anderweitig. So wie das Fell und die Haut der erlegten Tiere, um daraus Kleidung, Schuhe oder Zelte zu machen. Wandmalereien und Artefakte in ägyptischen Gräbern aus dem Jahr 5000 v. Chr. deuten darauf hin, dass Leder für Sandalen, Kleidung, Handschuhe, Eimer, Flaschen, Leichentücher zur Bestattung der Toten und für militärische Ausrüstung verwendet wurde. Die Gletschermumie „Ötzi“, die 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, trug Schuhe, Oberbekleidung und Mütze aus Leder. Noch älter ist ein Lederschuh aus der Höhle Areni in Armenien, der 2008 entdeckt wurde. Er stammt aus den Jahren zwischen 2630 und 3380 vor Christus.

Im antiken Griechenland wurde die Lederherstellung schließlich erstmals zu einem richtigen Handwerk. Damals wurde die Bräunungsformel entwickelt, bei der bestimmte in Wasser getränkte Baumrinden und Blätter verwendet werden, um das Leder zu konservieren. Die Römer erweiterten die Nutzung von Leder und verwendeten es in großem Umfang für Schuhe, Kleidung und militärische Ausrüstung, einschließlich Schilde, Sättel und Gurte. Im Mittelalter stammte ein Großteil des in Europa verwendeten Leders aus Vorderasien und Nordafrika, vornehmlich aus Marokko. Erst im 18. Jahrhundert wurde im Elsass die ersten bekannte Lederfabrik errichtet.

Mit der industriellen Revolution unternahm auch die Lederproduktion ein Quantensprung. Die Erfindung des Automobils, die Nachfrage nach weicheren, leichten Schuhen mit modischem Aussehen und ein allgemeiner Anstieg des Lebensstandards führten zu einer rasant steigenden Nachfrage nach weichem, geschmeidigem und farbenfrohem Leder. Einschließlich neuer Gerbungsverfahren, wie dem Umstieg vom pflanzlichen zum mineralischen Gerben, bei dem nicht mehr Pflanzensude verwendet wurden, um die Tierhaut halt – und nutzbar zu machen, sondern Chromsalz. Nachfrage und Verfahren führten aber erstmals dazu, dass Leder auch in Verruf geriet. Abfallprodukte aus dem Chromgerben belasteten plötzlich massiv die Umwelt, zusätzlich waren mit einem Mal ganz Tierraten vom Aussterben bedroht. Besonders Krokodilleder und Schlangenhäute waren eine Zeit lang so in Mode, dass einzelne Arten fast ausgerottet wurden. In der Folge gesellte sich deshalb zum klassischen Leder auch seine künstliche Variante: das Lederimitat oder Kunstleder.

Wusstest Du? Auch die Haut von Katzen und Hunden wurde zu Leder verarbeitet. Hundeleder wurde ab dem Mittelalter beim Buchdruck oder der Handschuhherstellung verwendet. Katzenleder war bei den Wikingern begehrt und noch vor etwa 100 Jahren verarbeiteten Franzosen und Engländer die Haut der puscheligen Haustiere zu Handschuhen. Mittlerweile gibt es aber für Katzen- und Hundefelle ein Handelsverbot.

Was nun aber ist Leder, wie wird es hergestellt, wie verwendet, bezeichnet und seine Herstellung und Verwendung kritisiert?

Leder – einfach nur Haut?

Im weitesten Sinne: lautet die Antwort auf diese Frage: ja. Leder ist ein Produkt aus der Haut von Tieren. Das älteste und bekannte Lederartefakt stammt aus 3380 vor Christus. Die am häufigsten verwendeten Tiere sind Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. Daneben gibt es Leder aus Schlangenhaut, der von Elefanten, Pferden, Krokodilen, Kängurus oder Manta-Rochen. Die Art und Weise, wie es gewonnen wird und woraus, sind die zentralen Themen, an denen entlang Tier- und Umweltschützer ihre Kritik formulieren.

Wusstest Du? Nappaleder ist nicht die gegerbte Haut eines Tieres, sondern ein Sammelbegriff. Es wird aus Lamm-, oder Kalbleder hergestellt und erhielt seine Bezeichnung vom Napa-Vally in Kalifornien, USA, wo es vornehmlich hergestellt wurde. Mittlerweile ist es ein Synonym für besonders geschmeidiges, sog. vollnarbiges Glattleder. Vollnarbig bedeutet, dass der Gerber die Seite der ursprünglichen Hautoberfläche verwendet – die ist glatter als die Fleischseite.

Chrom und Eichenrinde – wie wird Leder hergestellt?

Leder wird durch das Gerben von Tierhaut gewonnen. Mitunter auch durch Kauen, dazu später mehr. Bis die rohe Tierhaut ein fertiges Leder ist, werden ca. 40 Arbeitsschritte benötigt.

1. Die Vorbereitung:

Erstmal muss das Leder gereinigt werden. Danach müssen die Haare entfernt werden, man nennt das „äschern“. Schließlich wird die Haut für den eigentlichen Konservierungsschritt vorbereitet, dem Gerben. Dabei wird die Haut u.a. eingeweicht, gekalkt, gebleicht oder gebeizt.

2. Die Gerbung:

Bei diesem Prozess wird die rohe Haut in ein haltbares Material umgewandelt. Drei Methoden kommen zum Einsatz: die chemische Gerbung, die pflanzliche und die mit Aldehyd.

Bei der pflanzlichen Bearbeitung kommen Mixturen, die sog. Gerberlohe, aus den Gerbstoffen von Baumrinden oder Hölzern zum Einsatz. Beliebt sind Eichen- und Fichtenrinden oder Auszüge aus Guebracho-, Kastanien-, oder Mimosa-Holz. Auch Olivenblätter werden mittlerweile verwendet.

Beim Mineralgerben werden vor allem Chromsalz, Aluminium- oder Zirkonsalze verwendet. In den meisten Fällen aber ist Chromsalz im Einsatz. Bei diesem Verfahren fallen viele giftige Abfallprodukte an, die Menschen und Umwelt stark belasten.

Als Drittes wird auch mit synthetischen Stoffen gegerbt: Syntane, Aldehyde und Fettgerbstoff. Gegerbt wird hierzulande in großen Fässern und Trommeln, in weniger entwickelten Ländern, wie etwa im „Lederland“ Marokko finden diese Prozesse noch unter freiem Himmel statt. Am Ende der Gerbung wird das Leder, wie es im Fachjargon heißt „gespalten“, wenn es zu dick ist, anschließend bei Bedarf gefärbt und gefettet.

3. Die Nachbereitung:

Kommt das Leder aus der Gerbung, ist es steif und nicht bearbeitbar. Durch das sogenannte Millen und Stollen wird das getrocknete Leder weichgemacht. Dabei handelt es sich um einen mechanischen, nicht chemischen Prozess, bei dem Maschinen benutzt werden. Früher wurde es noch mit der Hand weichgeknetet. In einem letzten Arbeitsschritt bekommt das Leder sein Aussehen, seine Härte oder Weichheit und bei Bedarf Effekte.

Wusstest Du? Lange Zeit stellten die Eskimos ihr Leder mit Händen und Zähnen her. Dafür wurde es gewalkt und zerkaut, um es geschmeidig zu machen.

Wofür wird Leder verwendet?

Wie bereits schon erwähnt: Etwa die Hälfte des Leders wird für Schuhe verwendet. Meist für den Oberschuh, aber auch für Sohlen. Neben Schuhwerk im Luxussegment werden Funktionsschuhe aus Leder hergestellt – und natürlich der berühmte Westernstiefel. In seiner exotischen Variante auch aus Schlangenleder gefertigt. Etwa ein Viertel des Leders geht in die Produktion von Modetextilien und auch hier in die von Funktionskleidung. Die Jacken von Polizisten zum Beispiel sind aus Leder so wie auch die von FreundInnen der Western- und Country-Szene. Punks tragen Lederjacken, Rocker auch. Beliebt waren sie ebenso bei Unholden der Geschichte wie den Schergen des Nazi-Regimes oder in den kommunistischen Diktaturen.
Letztendlich aber gibt es kaum einen Bereich unserer Textil- und Accessoire-Kultur, in dem Leder nicht zum Einsatz kommt. Schaut euch um! Gürtel sind aus Leder, Handschuhe, Schürzen, Armbänder, Röcke, selbst Helme, Lederschnüre für Ketten, Haarschmuck, Geldbörsen, Etuis, Taschen, Fußbälle, Medizinbälle, Boxhandschuhe, Messergriffe, Peitschen oder Pferdesattel. In der Autoindustrie wird es verarbeitet, Sessel sind aus Leder, Sofas und Stuhlbezüge. Selbst Unterwäsche wird aus Leder gearbeitet, bevorzugt verwendet in der Fetisch- und BDSM-Szene.

Wusstest Du? Es gibt eine sogenannte Lederszene. Sie ist eine Subkultur Homosexueller, den in Deutschland lange verunglimpften „Lederkerle“, die sich über einen Fetisch zum Leder identifizieren.

Leder am Körper – noch zeitgemäß?

Vor allem im Modebereich ist die Verwendung von Leder mittlerweile nicht mehr ganz so verständlich. Die Tierschützerszene kritisiert generell die Verwendung von Tieren als Fleisch-, Fell- oder eben Lederlieferant. Die größte Missbilligung aber wird dem Leder durch Umweltschützer zuteil, die mit wachsendem Erfolg auf die kapitalen Schäden hinweisen, die die Haltung von Tieren, das Schlachten und die Gerbung der Tierfelle (bei kleineren Tieren wie Lamm oder Ziege so genannt) bzw. Tierhäute hervorrufen. Kunstleder wird deshalb als Alternative immer attraktiver, obwohl auch bei den Lederimitaten der ökologische Fußabdruck nicht klein ausfällt. Immerhin aber: Die Gerbung mit ihren giftigen Abfallstoffen fällt weg. Und Tiere müssen dafür auch keine geschlachtet werden.

Faux – wie „falsch“ ist Kunstleder?

Das kommt auf die Kriterien an, mit denen man die Frage betrachtet. Fakt ist, Kunstleder ist kein tierisches Leder, also dem Begriff nach „falsch“ und das, was man unter „faux Leder“ versteht. Es wird aus einem textilen Grundträger gefertigt, der mit Kunststoff beschichtet und Aussehen sowie Textur nach der Oberfläche von Leder ähnlich ist. In diesem Falle spricht man auch von Textilien in Leder-Optik oder von Lederimitat. Der Kunststoff des synthetischen Leders bestand lange Zeit aus PVC. Mittlerweile aber wird für die Oberschicht meist Polyurethan verwendet. Die Grundträger sind aus pflanzlichem, synthetischem oder Mischgewebe.

Kunstleder kommt überall dort zum Einsatz, wo auch Leder verwendet wird. Im Gegensatz zu seinem tierischen Gegenstück hat Lederimitat aber den Vorteil, dass es waschbar sowie in der Herstellung und somit im Preis günstiger ist. Kosten, Preis und ethische Überlegungen sind deshalb der Grund dafür, warum Designer, Modeschöpfer und Textilhersteller immer öfter auf Kunstleder oder Produkte in Leder-Look zurückgreifen. Zuletzt wurde es im Zuge des Comebacks der Mode der Achtziger Jahre, in denen viel Leder getragen wurde, gerade mal wieder zu einem Trend-Stoff ausgerufen. Im Bereich Unterwäsche sind es u.a. Marlies Dekkers und Manstore, die auf die künstliche Ledervariante setzen.